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Willkommen im Kamelienschloss – der grünen Schatzkammer Sachsens
Im und um das Landschloss Pirna – Zuschendorf werden auf über 6 Hektar, davon 1800 m² Glashausflächen die Zierpflanzen bewahrt, die einst vom Können sächsischer Gärtner in der ganzen Welt kündeten. Sammlungen, wie Kamelien, Azaleen und Rhododendron stehen unter Denkmalschutz. Hortensien und Rhododendron gehören zur Deutschen Genbank Zierpflanzen.

„Kamelienwelten“

Die Kamelie, mal aristokratisch, mal erotisch oder ein Symbol für Göttlichkeit, Perfektion Schönheit und den Neuanfang

XXII. Deutsche Kamelienblütenschau im Landschloß
1. März bis 13. April 2025

Die Hauptblüte der Kamelien in den Schauhäusern ist Ende März / Anfang April zu erwarten.

  • Kamelienwelten 2025 Japan, Kamelien, rot wie Blut im Schnee ...

Die Szenen können auch nach der Kamelien- und Azaleenschau bis Anfang Oktober besichtigt werden.

Ist es nicht so? Wir sehen dieselbe Blume, doch ruft sie in uns ganz verschiedene Bilder hervor. In der hohen Zeit der Kamelienmode in Europa Mitte des 19. Jahrhunderts trugen Kurtisanen wie auch hochgestellte Damen der Aristokratie Kamelien als ihr Zeichen. In Italien war sie das Symbol des Freiheitskampfes um eine geeinte Republik. In Japan aber steht die Kamelie für den Frühling und den Neubeginn. Sie symbolisiert Göttlichkeit, aber auch Perfektion. In China verbindet man Kamelien mit Schönheit, Reinheit und Treue.

Neuseelands Frauen erkämpften mit einer weißen Kamelie als erstes Land der Welt das Frauenwahlrecht. In Amerika, im Staate Alabama, wählte man die Kamelie zur Wappenblume. Diese ganz verschiedenen Kamelienwelten wollen wir in unserer Kamelienausstellung 2025 einmal vorstellen.

Europa – Kamelien als Symbol der gekauften Liebe

Man sagt, die Rose mit ihrem Duft ist das Zeichen für die wahre Liebe. Die Kamelie, die zwar in perfekter Schönheit, jedoch ohne Duft blüht, wäre eine Vortäuschung der Liebe, eine Illusion und steht für die käufliche Liebe. Gärtner wissen, dass dies nur die halbe Wahrheit ist und dem europäischen Kenntnisstand des 19. Jahrhunderts entspricht. Die meisten Wildarten der Kamelien haben einen ganz wunderbaren Duft, der auch die Parfümindustrie bereichert. Dagegen haben hochgezüchtete Rosensorten oft längst ihren Duft verloren. Sei es drum.

Die Kameliendame im Festsaal des Landschlosses Zuschendorf 2014.

Bekannt wurde die Verbindung zwischen den Kurtisanen und der Kamelie weltweit durch den 1848 erschienen Roman von Alexandre Dumas Fils „Die Kameliendame“ und das 1852 folgende Schauspiel. Ein Jahr später erklang Giuseppe Verdis „La Traviata“ zum ersten Mal.  Beschrieben wird das Leben der teuersten und begehrtesten Kurtisane von Paris, Marguerite Gautier, im wirklichen Leben existent als Alphonsine Plessis. Je nach Verfügbarkeit trägt sie rote oder weiße Kamelienblüten im Haar.

Alphonsine Plessis, das Vorbild der Kurtisane Marguerite Gautier in Dumas Roman, gemalt von Èdouard Viénot

Die Genannte war aber nicht die erste der erotischen Kameliendamen. Die Rede ist von der Wiener Tänzerin Fanny Elßler, die nach 1830 mit Nationaltänzen wie Carucha die Bühnen der Welt, von Berlin bis Paris, von Russland bis Nordamerika eroberte. Am Morgen des 26. Dezember 1929 ließ ihr späterer Geliebter, der einflussreiche Diplomat Friedrich von Gentz, vier weiße Kamelien aus seinem Gewächshaus an sie überbringen. Ihre Vorliebe für diese Blume machte sie zur „Wiener Cameliendame“. Den österreichischen Kanzler Fürst Metternich, der übrigens auch Kamelien sammelte, soll das Ableben von Gentz zu folgendem Kommentar veranlasst haben: „Die romantische Liebe bei Greisen nützt den Geist bald ab und führt das Ende herbei“ (zitiert aus: L. Denk. Fanny Elßler. Tänzerin eines Jahrhunderts. Wien u. München 1984. S. 124.). Gentz war 46 Jahre älter als sie.

Die Wiener Kameliendame Fanny Elßler, gemalt 1832 von Johann Nepomuk Ender.

Die dritte im Reigen dieser illustren Damen ist die in Irland als Elisabeth Rosanna Gilbert geborene Lola Montez. Auch sie hatte ein Verhältnis zu Vater und Sohn Dumas und vermutlich ist manches ihrer Abenteuer auch mit in den Roman eingeflossen. Überall, wo Lola Montez, meist als vorgetäuschte spanische Tänzerin edler Herkunft auftauchte, gab es Skandale und sie reiste durch beinahe alle großen Städte Europas von Paris bis Moskau oder Rom. Sie provozierte allerorten, ja sie forderte die Männerwelt heraus.

Im Schloss Nymphenburg ließ der bayrische König Ludwig I. eine Schönheitsgalerie mit Porträts von 38 Münchner Frauen sowohl adliger als auch bürgerlicher Herkunft anlegen. Allein 36 davon malte der Hofmaler Joseph Karl Stieler. Bei der vorletzten hatte er arge Probleme, galt diese doch in Bayern als Unperson. Hatte sie nicht nur die Münchner Männerwelt durcheinandergewirbelt, sondern war auch in der 1848er Revolution in München die zentrale Figur, die schließlich zur Abdankung des Königs und ihrer Vertreibung führte.

Lola Montez, gemalt 1847 vom Hofmaler Joseph Stieler für die Schönheitsgalerie Schloss Nymphenburg im Auftrag des Bayernkönigs Ludwig I. (Bildausschnitt).

Der damals sechzigjährige Bayernkönig Ludwig I. war in die Fünfundzwanzigjährige so unsterblich verliebt, dass er wegen ihr sein Testament änderte, sie mit Geld, Titeln und mehr überhäufte und ihr gestattete, sich in die Politik einzumischen. Schon zwei Jahre zuvor, 1846, sollte der Hofmaler diese Dame, die gern als ihr Zeichen eine rote Kamelie im Haar trug, für des Königs Galerie porträtieren. Bereits damals war sie in der Öffentlichkeit umstritten und Stieler befürchtete Ärger. Der König musste ihn mehrmals ersuchen, sie doch endlich zu malen. So entstand ein Bild, welches Lola Montez im Kostüm einer spanischen Tänzerin, mit relativ freiem Oberkörper und Maske in der Hand zeigte. Der König war empört und wies den Maler an: „Stieler – die Gräfin Landsfeld (so der Titel, den er ihr verliehen hatte) ist ein ehrbares Frauenzimmer! Male er sie in schwarzem Samt“. So entstand also 1847 ein neues Bild, welches den König wieder wenig begeisterte und er seinem Unmut mit den Worten Ausdruck verlieh: „Ihr Pinsel wird alt“.  Woraufhin der Maler antwortete: „Für einen alten Pinsel aber schön genug“. Der Protest ließ nicht lange auf sich warten. Als Marianna Marchesa Florenzi aus Florenz erfuhr, dass das Porträt von Lola Montez  in der Galerie neben dem ihrigen hängt, verlangte sie vom König das Bild abzuhängen. Das Bild von Lola Montez verschwand für Jahrzehnte im Depot und wurde erst nach Ende der Monarchie wieder aufgehängt.

Europa – Kamelien als Zeichen der Aristokratie

Vor allem in den Adelskreisen gab es Mitte des 19. Jahrhunderts sehr viele den Kamelien zugeneigte Damen. Kamelien waren teuer und man wollte seinen Wohlstand auch zeigen.

Carl Gustav Hermann Kluge. Der Abschied, 1859.

Deutlich wird das, wenn man bedenkt, dass Jacob Friedrich Seidel in Dresden im Jahre 1862 unglaubliche 1100 Sorten führte. Jede der Damen wollte besonders bedacht werden. Viele der Züchtungen trugen weibliche Vornamen, oft auch Vor- und Zunamen oder Titel. Auch einige Herren waren dabei, wie Prinz Albert, der gebürtige Sachsen-Coburger und Gemahl der britischen Königin Victoria, seiner Cousine.

Kameliensorte ‚Prinz Albert‘, Aquarell von Irene Barkmann.

Die Kamelien hielt man als Bouquet, trug sie im Haar als Blüte oder Kranz oder man umgab sich einfach mit den wertvollen Pflanzen. Gern ließ man sich so auch malen, so dass wir heute einige Zeugnisse davon noch besitzen. Bleiben wir zuerst bei den Sachsen-Coburgern.

Alexandrine Herzogin von Sachsen-Coburg und Gotha (1820 – 1904), die Gemahlin von Herzog Ernst II. und Schwägerin des oben genannten Prinz Albert ließ sich mit Kamelien im Haar verewigen. Die zweite Tochter der britischen Königin Victoria (1819–1901) und ihres Ehemanns, des Prinzgemahls Albert von Sachsen-Coburg und Gotha (1819–1861),namens Prinzessin Alice von Großbritannien und Irland, sowie Prinzessin von Sachsen-Coburg und Gotha, Herzogin von Sachsen (1843-1878) trug sogar einen ganzen Kranz Kamelienblüten auf ihrem herrschaftlichen Haupt.

Prinzessin Alice aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha, Tochter von Queen Viktoria, gemalt von Alexander Melville, Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Familie – Schloss Callenberg bei Coburg.

Für die Damen des Sachsen-Coburger und des Gothaer Hofes gab es eine gute Quelle für die Kamelienblüten. Der Schlossgarten Gotha mit seinen Orangerien bot seit den 1830iger Jahren ein Zuhause für zahlreiche Kamelien. Diese Tradition wurde in den letzten Jahren mit dem Bau eines neuen Kamelienhauses wiederbelebt.

Bleiben wir im Sächsischen und gehen nach Freital zum Schloss Burgk. Die Kohlebarone von Burgk gehörten zu den wohlhabendsten Familien in Sachsen und kaum etwas anderes konnte Schönheit und Abstammung besser unterstreichen als eine Kamelie. Therese von Winterfeld, geb. von Burgk, ließ sich mit einer Kamelie im Haar von Albert Gliemann im Jahr 1856 abbilden. Ob die Kamelie aus eigenen Beständen stammt, wissen wir nicht. Immerhin hatte die Familie auch einen eigenen Hofgärtner.

Therese von Winterfeld, geb. von Burgk, gemalt von Albert Gliemann 1856, Schloss Burgk, Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Elisabeth von Boxberg.

Bei Natalie Baronesse Blome (1813 – 1901) lebt sogar die Pflanze noch, von der die Dame um 1850 einen Zweig in den Händen hält und sich von einem unbekannten Künstler abbilden ließ. Sie war verheiratet mit Graf Kurt Heinrich Ernst von Einsiedel. Vermutlich erhielt sie den Kamelienzweig von ihrem Schwager Graf Heinrich von Einsiedel.

Natalie Baronesse Blome mit einem Zweig der Roßweiner Kamelie der Sorte ‚Alba Plena‘, unbekannter Künstler, Heimatverein Roßwein.

Schon der Vater der beiden Brüder, der sächsische Kabinettsminister Johann Georg Friedrich Graf  Einsiedel zu Reibersdorf, bezog seltenen Samen amerikanischer Gehölze von Johann Busch aus England.

Im Jahre 1797 ist das Wolfstal bei Roßwein im Besitz des Sohnes Graf Heinrich von Einsiedel. Rund um das dortige Gut ließ er einen landschaftlichen Park mit wertvollen Bäumen anlegen. Später gibt es dort eine Baumschule und Blumenzucht; ein Gewächshaus soll es bei Einsiedel auch schon gegeben haben. Im Jahr 1830 konnte zur Blütezeit der Kamelien eine Völkerwanderung nach dem Wolfstal beobachtet werden. Allerdings gehörte das Wolfstal nur noch bis 1831 der Familie von Einsiedel. Der Zweig der Baronesse Blome zeigt die Sorte  Camellia japonica ’Alba Plena’. Die Pflanze im Wolfstal ist heute etwa 200 Jahre alt und stammt damit aus Einsiedels Zeiten. Es ist denkbar, dass auf Grund der guten Beziehungen zu England – Johann Georg Friedrich Graf Einsiedel war zeitweise sächsischer Gesandter in London – die Familie die Pflanze von dort bezog. Wahrscheinlicher ist aber auf Grund der Nähe zum Dresdner Hof, dass die Familie von Einsiedel die Kamelie vom kurfürstlichen Hofgärtner Johann Heinrich Seidel erhielt. Dieser bot die Sorte ab 1811 zum Verkauf an.

Es ist denkbar, dass diese heute die älteste gefülltblühende Kamelie nördlich der Alpen in Europa ist. Sie wird mit großem Einsatz vom Roßweiner Heimatverein gepflegt.

Roßweiner Kamelie

Besonders schwärmte man im russischen Riesenreich für die kälteliebende Blume aus Fernost. In Petersburg und Moskau wurden ganze Ballsäle mit ihr ausgeschmückt, in Bulgakows wunderbarem Buch „Der Meister und Margarita“ sogar die Hölle. Jacob Friedrich Seidel aus Dresden exportierte seit 1834 unglaubliche Mengen dieser dort so begehrten Pflanze nach Rußland. So, wie sich das in der Literatur dieses Landes widerspiegelte, so geschah gleiches in der Malerei. Als Beispiel sei hier das von Pimen Nikititsch Orlow (1812 – 1865) in Öl gemalte Porträt der Natalie Baggavut genannt. Sie steht neben ihrem Hammerklavier auf einem Balkon mit Ausblick zum Vesuv. Diese attraktive Dame trägt eine rote, leicht weiß gefleckte Kamelie im Haar. Das Original des Bildes wurde 2013 für 92.500,00 € versteigert.

Porträt der Natalie Baggavut von Pimen Nikititsch Orlow.

Die Reihe der aristokratischen Kameliendamen könnte weiter fortgeführt werden. Die genannten Beispiele sollen genügen.

Italien – Kamelien als Symbol des Freiheitskampfes

Gegen die Fremdherrschaft des Kaisertums Österreich führten die italienischen Staaten unter Führung Sardiniens in den Jahren 1848/49, 1859 und 1866 drei Freiheitskriege. Diese endeten 1870 mit der Besetzung Roms und der Einigung (Risorgimento) Italiens.

Weiß-Rot blühende Kamelien wurden damals zum Symbol des aufkeimenden Liberalismus. Die Farben Rot und Weiß und dazu das Grün der Blätter entsprachen der späteren dreifarbigen Nationalflagge. Die Mitgliedsorganisationen der verschiedenen Geheimgesellschaften erkannten sich gegenseitig durch das Tragen einer zweifarbigen Kamelie im Knopfloch.

Im Jahr 2023 befassten wir uns in unserer Ausstellung „Kamelien der Toskana“ tiefer mit der Thematik.

Der bekannte Kameliensammler und -züchter Dr. Angelo Borrini und sein Bruder Alessandro schlossen sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einem in Lucca aktiven Verein namens „Liberal Company“ an. In der väterliche Villa von St. Andrea di Compito betrieben sie eine geheime Druckerei, in der  Flugblätter gegen die damalige Regierung hergestellt und verteilt wurden. Diese Unternehmung wurde verraten und so sandte der Herrscher Carlo Ludovico di Borbone einen Trupp Gendarmen in die Villa Borrini. Die Verschwörer wurden jedoch rechtzeitig alarmiert. So gelang es ihnen, die Druckerei zu verstecken. Vieles wurde in einem alten Kamin der Villa eingemauert. Nachfolgende Generationen hörten ein seltsames Rauschen, das auf die Bewegung von Dokumenten hinweist, die noch vorhanden waren…  Um weitere Spitzel von den subversiven Aktivitäten in der Villa fernzuhalten, verbreiteten die Borrinis mystische Legenden von Geistern und Gespenstern, die des Nachts in der Villa ihr Unwesen trieben. So konnten ungestört weiter Flugblätter gedruckt werden.

Angelo Borrini befasste sich als einer der bekanntesten Kamelienliebhaber seiner Zeit daher mit der Züchtung zweifarbiger Kamelien. Im Ergebnis entstand 1835 eine weiße Sorte mit roten Flecken und Streifen, die er nach seinem Sohn Oscar benannte. Auch die vom römischen Gärtner Del Grande gezüchtete weiß-rote Kamelie  ‚Bella Romana‘, die ebenfalls zu den „patriotischen“ Sorten gehört,  wächst noch heute im Garten der Villa Borrini.

Andere bekannte Sorten des Risorgimento seien hier genannt: ‚Roma Risorta‘, ‚Papst Pio IX.‘, ‚La Carbonara‘ und ‚La Nazionale‘. Nicht weit von der Villa Borrini entfernt, in San Ginese di Compito, ist heute noch die Sorte ‚Il 22 Marzo‘ vorhanden. Sie erinnert an sechs blutige Carbonari-Aufstände von 1848, bekannt als „Die fünf Tage von Mailand“.

Die Kamelie als Symbol des Freiheitskampfes lässt sich für den ganzen Zeitraum von 1820 bis 1870 nachweisen.

Die Kamelie als Symbol des Freiheitskampfes in Italien. Der Kamelienzüchter Angelo Borrini druckt in seiner Villa Flugblätter. Szene aus der Kamelienausstellung 2023.

Jetzt werden wir den europäischen Kontinent verlassen und uns in den Ursprungsländern in Fernost umschauen.

Japan – Kamelienblätter wie rote Blutstropfen im Schnee

Die Menschen in Japan sind mit der Kamelie nicht so eng verbunden wie mit Kirschen, Bambus oder Kiefern. Trotzdem gehört sie zu den bedeutenden Blumen, schon weil man sie bei spirituellen und religiösen Zeremonien verwendet. Sie symbolisiert die Göttlichkeit und ist Sinnbild der Reinheit und des Strebens nach Harmonie. Man schätzt die authentische Schönheit und elegante Einfachheit. Wenn die polierten Holzflächen in Tempeln mit Kamelienblüten belegt werden, ist dies ein beeindruckender Anblick.

Kamelienblüten im Honen-In-Tempel in Kyoto 1989.

Schon in frühen Zeiten sprach man der Kamelie mythische Kräfte zu, um das Böse und die Gefahr zu vertreiben. Trat man eine lange Reise an, so nahm man einen Kameliensamen als Talisman mit. Gleiches gilt für das Kamelienöl, welches man als Lebenselixier betrachtete, auf Reisen mitführte und als wertvolle Gabe verschenkte.

Mit Stöcken aus Kamelienholz vertrieb man zur Neujahrszeremonie in den Schreinen die bösen Geister.

Hütte im Kamelien-Bambus-Wald, Zuschendorfer Festsaal 2016.

Diese Symbolik, aber natürlich vor allem die Härte des Holzes, nutzte man schon im 8. Jahrhundert zur Herstellung von Waffen.

So sind die Kamelien eng mit dem Leben der Samurai verwoben. Die klassischen Kamelien fallen beim Verblühen als ganze Blüte plötzlich vom Baum, was die Assoziation zu abgeschlagenen Köpfen hervorrief. In anderen Quellen wird das Geräusch, wenn Kamelienknospen auf den Boden fallen, auf gleiche Weise gedeutet. Mitte des 15. Jahrhunderts, als in Japan viele Kriege tobten, versuchte man daher bei Kriegszügen den Kontakt zu Kamelien zu meiden.

Uralte Kamelien in Japan

Uralte Kamelien in Japan

Auch mit dem Tod und der Vergänglichkeit des Lebens verbindet sich ein anderes Sinnbild: Abgefallene Blütenblätter im Schnee erinnern an Blutstropfen. Ein wunderbar poetisches Bild der japanischen Seelenwelt.

Ein Mönch träumt zwischen Kamelienblüten, Kamelienschau 2016.

Kamelienblüten mit Kiefernnadeln, durch einen roten Faden zu einem Rahmen verbunden. Aus: Wettstreit der Blumen. Japanischer Farbholzschnitt von Shibata Zeshin aus dem Jahre 1888.

Trotz allem züchteten die Japaner verstärkt seit dem 16. Jahrhundert immer neue Varietäten. Viele unserer heutigen Sorten mit scheinbar europäischen Namen stammen aus diesem Fundus. Denken wir z.B. an die vom deutschen Botaniker Philipp Franz von Siebold nach Europa gesandte und am 8. Juli  1830 im Hafen von Antwerpen angelangte ‚Tricolor‘.

Einst Wahrzeichen der Samurai in Japan gehörte die aus dem 16. Jahrhundert stammende, ungefüllte und recht harte Sorte zu den am meisten  bewunderten Kamelien im alten Edo. Ihr japanischer Name ist `Ezo Nishiki‘. Mit ihren drei Farben verkörperte sie die Dreieinigkeit von der regierenden Tokugawa-Familie, dem Oberbefehlshaber der Armee und dem Staat Edo. In den Gewächshäusern der Botanischen Sammlungen Zuschendorf wächst mit einem Alter von 109 Jahren (2025) vielleicht die älteste Pflanze dieser Sorte auf dem Kontinent. Sie gehörte zum Mutterpflanzenbestand des Unternehmens T. J. Seidel, Dresden und steht unter Denkmalschutz.

Die Kameliensorte ‚Tricolor‘, Wahrzeichen der Samurai.

Im Juni 1929 kam eine ebenfalls von Siebold geschickte Sorte in Amsterdam an, der 1844 der Botaniker nach dem „verdienstvollen Hortulanus Donkelaar“(Siebold) den Namen Camellia japonica ’Donckelaerii’ verleihen  sollte. André Donckelaar erhielt die heute sehr begehrte Kameliensorte über einen befreundeten Gärtner für seinen Botanischen Garten in Leuwen. In Japan trägt die Pflanze den Namen ‚Masayoshi‘.

Die Kameliensorte ‚Donckelaeri‘, benannt durch Philipp Franz von Siebold zu Ehren des Gärtners André Donckelear.

Vielleicht sollten wir noch zwei Beispiele aus Sachsen hinzufügen:

T. J. Hermann Seidel führte Kameliensorten aus Japan ein. Eine davon nannte er ‚Herme‘ und stellte sie in seinem Katalog von 1891 vor. Herme war der Rufname von Hermine Olavia Minna Theodora von Schädtler (1867 – 1940), die Hermanns Sohn Heinrich am 23. April 1891 in Kopenhagen heiratete. Gibt es ein schöneres Hochzeitsgeschenk seitens des Schwiegervaters, als eine wunderschöne Blume nach der geliebten Braut des Sohnes zu benennen? Vermutlich ist die Sorte schon im 13. Jahrhundert in Japan entstanden. Ihr japanischer Name ‚Hikarugenji‘ ist der heute auch weltweit gültige. Benannt ist sie nach Prinz Genji, dem romantischen Helden einer frühen japanischen Novelle. Die Abenteuer und Liebeshändel des Prinzen, der für seine Eleganz berühmt war, eroberten die Herzen der Leser im Sturm. Die Verfasserin der „Geschichte vom Prinzen Genji“, Murasaki Shikibu, war Hofdame der Kaiserin und Geliebte des mächtigen Kanzlers Michinaga. Sie wurde berühmt; ihr Werk ging in die Weltliteratur ein und wurde in viele Sprachen übersetzt.

Zwei Exemplare in den Zuschendorfer Schauhäusern gehörten zum Mutterpflanzenbestand der Firma T. J. Seidel aus dem Jahre 1916 und stehen heute unter Denkmalschutz.

Seidels aus Japan eingeführte ‚Herme‘, die im Heimatland ‚Hikarugenji‘ nach dem Prinzen Genji benannt wurde.

Eine besonders schöne Sorte in Japan war ‚Uso-otome‘ oder auch ‚Otome‘ genannt, was man mit „Mädchen“ ins Deutsche übersetzen kann. T. J. Hermann Seidel führte diese 1883 aus Japan ein. Er nannte sie in seinen Katalogen von 1887 bis 1890 ‚Otome Rosea Plena‘ und beschrieb die Sorte mit den Worten „regelmässiges reizendes Blümchen vom zartesten Rosa“. Im Jahr 1891 übernahm sein Sohn Heinrich gemeinsam mit seinem Bruder Rudolf die Firma. Nun nannte man sie nach deren Mutter bzw. Hermanns Frau mit folgendem Katalogeintrag: „Frau Minna Seidel (Japan, Neueinführung der Firma) reizend gebautes Blümchen von entzückend reinem Blassrosa. Die lieblichste unter den Camellien; leider etwas zart“. Die Namensgeberin, Frau Minna Sidonie Seidel, geb. Hoffmann, (1836 – 1917), Schwiegertochter von Jacob Friedrich und Ehefrau von Hermann. Sie war die außerordentlich schöne Tochter eines hohen königlichen Finanzbeamten, war streng und über die Maßen korrekt. Minna galt als gebildet, aber auch unnahbar. Zu Hause sprach man französisch und sang zur Klavierbegleitung.

Die lieblichste unter den Kamelien, so hat Seidel seine aus Japan eingeführte ‚Frau Minna Seidel‘ genannt. Dort hieß sie ‚Uso-otome‘, übersetzt „Mädchen“.

Die einer Pompondahlie ähnliche Blüte dieser Varietät war besonders als Knopflochblume oder Hutschmuck beliebt. Auch als wichtige Pflanze für den Export mehrte sie den guten Ruf der Firma T. J. Seidel in der Welt.

Die reichblütige `Frau Minna Seidel‘ ist sehr wüchsig und daher als Topfkultur nur schwer zu beherrschen. Jahrestriebe von 1 Meter Länge sind keine Ausnahme. Ausgepflanzt in den Zuschendorfer Gewächshäusern entfacht sie ein regelrechtes Blütenfeuerwerk und dominiert die Blütenschau im März. Offensichtlich wurde sie auch von Seidel hoch geschätzt, waren doch in seiner Mutterpflanzensammlung aus dem Jahr 1916 ein Dutzend davon dabei.

China – Jugend und Schönheit der Kamelien

Eine der heute verbreitetsten Kamelien, die Sorte ‚Alba Plena‘, kam aus China zu uns und trug dort den Namen „Weiße Pagode“. Diese uralte Varietät stammt aus dem 15. Jahrhundert oder ist sogar noch weitaus älter. Im Jahre 1792 kam sie gemeinsam mit der Sorte ‚Variegata‘ als erste gefüllte Ziersorte der japanischen Kamelien auf dem von Kapitän Connor geführten Schiff „Carnatic“ der englischen Ostindien- Gesellschaft aus der Provinz Guangdong nach England. Eigentlich war dieser, später als ein großer Glücksfall wahrgenommene Import, eine Verwechslung, denn die Engländer wollten Teepflanzen, um eigene Plantagen anlegen zu können. Manche meinen, es sei Absicht gewesen, weil die Chinesen ihr Teemonopol schützen wollten. Andere sagen, es passierte irrtümlich. Wohl wissend von der engen Verwandtschaft zum Tee nannten die Chinesen die Kamelie  „Teeblume“ oder „Bergtee“.

Kamelie ‚Alba Plena‘, in China die „Weiße Pagode“ genannt, kam 1792 als eine der ersten Kamelienziersorten nach England.

Kamelie ‚Variegata‘. Sie gehörte ebenfalls zu den ersten beiden nach England eingeführten Kamelien.

Der Dresdner churfürstliche Hofgärtner Johann Heinrich Seidel verkaufte in Dresden die Sorte bereits ab dem Jahre 1811. Wie oben erwähnt, stammt aus dieser Zeit die Roßweiner Kamelie der Sorte ‚Alba Plena‘. Zwei weitere vermutlich über 180 Jahre alte Exemplare gibt es im Gewächshaus des Schlossgartens Königsbrück.

In China bewundert man die Kamelien, deren jugendliches Aussehen auch mit 300 Jahren, das „Nacheinander sich entfalten der Blüten“ und ihre strahlende Schönheit ohne Koketterie. Kamelien sind dort Symbol für Schönheit, Reinheit und Treue, aber auch Liebe und Hingabe. Die Blütenblätter würden den Geist und die Schönheit einer Frau widerspiegeln.

Natürlich gab es einen jahrhundertealten Austausch auch von Kamelienzüchtungen zwischen Japan und China, vor allem über Nagasaki.

Neuseeland – der Kampf der roten und weißen Kamelien

Mit einem Gesetz, welches 1893 das allgemeine Wahlrecht auf Frauen ausdehnte, wurde Neuseeland das erste Land der Welt mit allgemeinem Wahlrecht. Vorkämpferin war die 1847 im englischen Liverpool geborene Kate Sheppard. Mit einem geschickten Schreibstil und überzeugender Redekunst verfasste sie Texte, Aufrufe und Petitionen. Um das Parlament für das Gesetz zu interessieren, sammelte sie 30.000 Unterschriften.

Und sie ließ Blumen sprechen: Weiße Kamelien trugen die Abgeordneten, die das Frauenwahlrecht unterstützten, rote deren Gegner. So war die Haltung eines jeden offensichtlich. Kate Sheppard, die auch die erste Präsidentin des Nationalen Frauenrats in Neuseelands war, wurde mit einer 10-Dollar-Note geehrt, auf der mit ihr eine weiße Kamelie abgebildet ist.

Im Jahr 1992 brachte A.P. Gamlin aus Manaia in Neuseeland eine weiße, halbgefüllte Kamelie heraus und nannte die Sorte ‚Kate Sheppard‘. Ein Jahr später, zum hundertjährigen Jubiläum des 1893 beschlossenen Gesetzes, wurden überall im Land weiße Kamelien gepflanzt.

Neuseeländische 10-Dollar-Note mit dem Bild von Kate Sheppard und einer weißen Kamelie, dem Symbol bei der Erkämpfung des Frauenwahlrechtes. Quelle Internet

Amerika – Kamelie als Staatsblume

Wenn wir von „Kamelienwelten“ sprechen, so müssen wir natürlich auch einen Blick in die „Neue Welt“ tun. Jacob Friedrich Seidel, Dresdens Kamelienseidel, hat frühzeitig die großen Möglichkeiten dieses weiten Landes erkannt. Im Jahre 1848 hat er sogar selbst darüber nachgedacht nach Amerika zu gehen. Seine ein Jahr vor ihm geborene Schwester war bereits dorthin übergesiedelt. Seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts exportierte das Unternehmen Kamelien auch nach Nordamerika. Die perfekt gefüllte und oben bereits beschriebene Sorte ‚Frau Minna Seidel‘ war über lange Zeit die meist verkaufte Kameliensorte in den USA.

Seit 1927 war die Goldrute die Staatsblume von Alabama. Die Damen von Butler County betrachteten diese jedoch als Unkraut und wollten eine neue. So wurde am 26.08.1959 die Kamelie als neue offizielle Staatsblume Alabamas ernannt. Sie steht für die Schönheit des Südens, aber auch für Leidenschaft, Exzellenz und Langlebigkeit.

Die Wappenblume Kamelie (Camellia japonica L.) und der Wappenvogel Goldspecht (Colaptes auratus) des Staates Alabama auf einer Briefmarke.

Schwieriger wird es da mit Afrika. Von dort sind die Nachrichten vielleicht auch aus klimatischen Gründen dürftiger. Die Firma T. J. Seidel aus Dresden exportierte seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts Kamelien nach Südafrika.

Was erwartet die Besucher? Vier lebensechte Szenen zum obigen Thema werden aufgebaut.

Lola Montez, eine der bekannten Kameliendamen, im schwarzen Samt, provokant rauchend und Peitsche schwingend mit ihrer Dogge, während der Hofmaler Stieler an der Staffelei stehend, sie wiederwillig malt.

In einen kleiner Schrein kniet eine trauernder Japanerin im Winter-Bambuswald, mit Schneefläche voller roter Kamelien.

Auch ein chinesisches Mondtor wird aufgebaut.

Alle Szenen der Ausstellung werden wie immer von Frau Dipl. Grafikdesignerin Bea Berthold gestaltet.

Zur „Deutschen Kamelienblütenschau“ werden wieder um die 1000 auserwählte Blüten aus ganz Deutschland, bereitgestellt von Orangerien,  Botanischen  Gärten, Gartenbaubetrieben  und  privaten  Sammlungen, erwartet und in besonderen Gefäßen in den Festräumen des Landschlosses präsentiert. Die Freunde der Mitteldeutschen Kameliengesellschaft werden die Blüten mit gebotener Vorsicht aus allen Landesteilen herbeibringen und einen großen Teil der Ausstellungszeit manchen Ratschlag für die Besucher zur Kamelienpflege parat haben. Das verehrte Publikum ist zur Wahl der „Schönsten Kamelienblüte Deutschlands“ für das Jahr 2025 aufgefordert.

Die alten über einhundert Jahre alten Kamelien in den Glashäusern setzen von Jahr zu Jahr üppiger Knospen an und werden überreich blühen. Ihnen sind die zunehmend heißen Sommer sehr willkommen.

Die Kamelienschau unterteilt sich in:

01.03. – 13.04.2025  Kamelienblüte in den Glashäusern

Ausstellung der Sächsischen (Seidelschen) Kameliensammlung mit einer Vielzahl historischer Sorten v.a. des 19. Jahrhunderts auf 1500 m² Schauglasfläche. Die Hauptblüte ist Ende März zu erwarten.

01.03. – 09.03.2025  XXII. Deutsche Kamelienblütenschau im Landschloß

„Kamelienwelten – Die Kamelie, mal aristokratisch, mal erotisch oder ein Symbol für Göttlichkeit, Perfektion Schönheit und den Neuanfang“

Die schönsten Kamelienblüten aus ganz Deutschland werden in besonderen Gefäßen in den festlichen Räumen des Landschlosses präsentiert. Das Publikum wählt die schönste Blüte Deutschlands (in Zusammenarbeit mit der Mitteldeutschen Kameliengesellschaft).

10.03. – 13.04.2025  XXII. Sächsische Kamelienblütenschau im Landschloß

15.04. – 01.05.2025  XVIII. Azaleenschau im Landschloß

Die Sammlung der ehemaligen „Königlichen Hofgärtnerei zu Pillnitz“

umfasst heute 360 historische Sorten und wird im Schloss präsentiert.

Eintritt: 7,50 € / ermäßigt 6,00 €

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag und feiertags von 10.00 – 17.00 Uhr

Zusätzlich nur im März: Montag von 10.00 – 16.00 Uhr

www.kamelienschloss.de

Ein Landschloß im Dornröschenschlaf – Zuschendorfer Ansichten von Ulrich Lindner
1.
März bis 5. Oktober 2025

Jedem Anfang liegt ein Zauber inne. Diese wunderbaren Worte Hermann Hesses  galten umsomehr und trotz alledem für unsere Anfänge in Zuschendorf.

Ulrich Lindner: Schlosspark mit Kirche und Schloss, Zyklus Zuschendorf, 1993, Fotografie, getont, Foto: Jörg Sandau.

Auf der Suche nach einem neuen Ort für unser gärtnerisches Tun und unsere Nachfrage, was denn aus dem Schloss Zuschendorf würde, bekamen wir beim Rat der Stadt Pirna 1987 die Antwort: „Abreißen dürfen wir es nicht, aber die Zeit arbeitet für uns“. Es war noch schlimmer, denn auch die Landeskirche dachte an Abriss der mit einem Übergang zum Schloss verbundenen Kirche. Das ganze Ensemble galt als nicht rettbar. Stand man in der Halle des Schlosses, konnte man des Nachts durch sechs Etagen die Sterne leuchten sehen. Der Hausschwamm  feierte seine Existenz in jedem Winkel. So wäre das Stammgut derer von Carlowitz nach fast eintausend Jahren einfach aus der sächsischen Geschichte gestrichen worden.

Ulrich Lindner: Verfallener Wehrgang, Zyklus Zuschendorf, 1993, Fotografie, getont, Foto: Jörg Sandau.

Günter Hofmann, ein weitsichtiger, genialer Denker und damaliger Direktor des VEG Saatzucht Zierpflanzen Dresden, erwog 1987 kurzerhand den Kauf, der schon 1988 vollzogen wurde. Nun wurden Pläne geschmiedet und die Zukunft erträumt. Was könnte man doch Herrliches tun an diesem romantischen Ort. Das Dresdner Architektenehepaar Susanne und Volker Berthold, mit denen wir schon beeindruckende Ausstellungen in Dresden und Tallin (Estland) gemeinsam aufbauten, gaben nun diesen Träumereien ein zeichnerisches Gesicht mit Form und Inhalt. Zu ihrem Freundeskreis gehörte der Dresdner Fotografiker Ulrich Lindner. Gedanklich verbanden Ulrich Lindner und Volker Berthold die ein Leben prägenden Erlebnisse bei der Zerstörung Dresdens. Ulrich Lindner, Jahrgang 1938, war mit sieben Jahren Zeuge des Feuersturms, wuchs in den Ruinen auf und machte diese immer wieder zum Gegenstand seiner Arbeiten.

Für Ulrich Lindner war aber immer auch der Verfall und dessen Schönheit von Schlössern, Orangerien, anderen Baulichkeiten und Gärten ein wichtiges Thema. Er empfand und gab dem „Ruinösen“ die gebührende Würde.

Er selbst befasste sich intensiv mit seinem eigenen und anderen Gärten und sprach vom Gärtner als seinem zweiten Beruf.

Ulrich Lindner im Jahr 1996 im Zuschendorfer Schaugewächhaus

In seinem historischen Wintergarten reiften zahlreiche Zitrusfrüchte, den Garten zierten zahlreiche Kübel mit Orangen und auch bei der Kultur seiner Kamelien hatte er eine glückliche Hand. Er war ein würdiger Vertreter unserer Zunft.

So waren wir ganz glücklich, dass Ulrich Lindner unsere Arbeiten in Zuschendorf von Anfang an begleitete. Nur einer wie er konnte die letzten Tage des Dornröschenschlafes von Landschloß, Kirche und Gutspark vor deren Erweckung für uns bewahren.

Er fotografierte den ursprünglichen Zustand und bearbeitete die Bilder mit teils selbst entwickelten fotochemischen Prozessen zu seinem 1993 entstandenen Zyklus „Zuschendorf“. Ulrich Lindner studierte 1957–1962 Chemie an der Technischen Hochschule Dresden. Diese Kenntnisse eröffneten ihm mannigfaltige künstlerische Möglichkeiten.

Ulrich Lindner: Blick durchs Schlossfenster, Zyklus Zuschendorf, 1993, Fotografie, getont.

Es ist das große Dilemma: Eine Ruine oder ein verwilderter Garten haben ihre ganz eigene Schönheit. Da wuchsen Farne und Sonnenblumen an den Fassaden, da gab es im Inneren auf völlig verschwammten Fachwerkmauern ganz einzigartige Malereien. An den halb durchgebrochenen Decken bauten neben Jugendstilornamenten die Schwalben ihr Nest. Die hölzernen Bauteile eines Wintergartens waren kurz vor dem Einsturz. Frühere Bewohner hatten Inschriften, auch in Russisch, hinterlassen. Man kann diesen Zustand nicht konservieren. Wir mussten das meiste davon zerstören, um das Gebäude wieder zum Leben zu erwecken. Nur ein Künstler wie  Ulrich Lindner war in der Lage, diese für uns in seinem Zyklus für immer zu bewahren.

Ulrich Lindner: Grabstätte Mühlenbesitzer Böhme auf Zuschendorfer Friedhof, Zyklus Zuschendorf, 1993, Fotografie, koloriert, Foto: Jörg Sandau.

In den darauffolgenden Jahren trafen wir uns oft in Zuschendorf oder auch in seinem Dresdner Zuhause. Kaum eine unserer Ausstellungen, ob Kamelie, Azalee, Hortensie oder Weihnachten verpasste er. Ulrich Lindner konnte die Dinge mit einem Blick erfassen und ein klares stilsicheres Urteil fällen. Er hat unseren Blick geschärft, die Schönheit des Verfalls wahrzunehmen. Diese unglaubliche Farbigkeit allerorten, die man erst beim intensiven Schauen erleben kann. Seine Ratschläge waren uns wertvoll. Jede Unterhaltung mit ihm war ein Genuss. Er entdeckte immer wieder besondere Details, für die er uns die Augen öffnete.

Mit seinem Tod am 29. April 2024 verlor der Förderverein ein prägendes Mitglied der ersten Generation und wir einen guten Freund, von dem wir noch so viel lernen wollten. Mit dieser Ausstellung möchten wir ihn ehren. Neben dem erwähnten Zyklus „Zuschendorf“ zeigen wir weitere Schenkungen und Ankäufe, Bilder die einst Günter Hofmann erwarb und weitere Werke aus dem Familienbesitz von Susanne und Volker Berthold.

Ulrich Lindner: Wirtschaftsgebäude am Landschloss, Zyklus Zuschendorf, 1993, Fotografie, getont, Foto: Jörg Sandau.

Ulrich Lindner war seit 1998 Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste.

Matthias Flügge, Rektor der Hochschule für Bildende Künste Dresden, schreibt in seinem Nachruf: “ Die Klasse Bildende Kunst betrauert einen ebenso noblen wie klugen, ebenso traumnahen wie scharfsichtigen Künstler“. Dem ist nichts hinzu zufügen.

Große Teile der Zuschendorf-Bilder erhielten wir von Ulrich Lindner selbst. Einige fehlende Werke schenkte uns dank der Vermittlung von Jörg Sandau sein Sohn Thomas Lindner. Jörg Sandau erstellt das Werkverzeichnis für Lindners Arbeiten.

Wir werden die Bilder gemeinsam mit Kamelienblüten und Azaleen präsentieren und denken, dass dies im Sinne des Gärtners Ulrich Lindner ist. Wer aber meint, er wolle die Werke ungestört betrachten, dem sei ein Besuch ab Mai empfohlen. Die Bilder werden die Schlossräume die ganze Saison zieren.

Ulrich Lindner: Schlossansicht, Zyklus Zuschendorf, 1993, Fotografie, koloriert.

Eintritt: 7,50 € / ermäßigt 6,00 €

Geöffnet: Dienstag bis Sonntag und feiertags von 10.00 – 17.00 Uhr

Zusätzlich nur im März: Montag von 10.00 – 16.00 Uhr

www.kamelienschloss.de

 

Botanische Sammlung der TU Dresden

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Veranstaltungen

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    1. Kamelienblüte in den Glashäusern

      1. März - 13. April
    2. Bonsai und Obstorangerien im Scherben

      1. März - 5. Oktober
    3. XXII. Sächsische Kamelienblütenschau im Landschloß

      10. März - 13. April
    4. XVIII. Azaleenschau im Landschloß

      15. April - 1. Mai
    5. Hortensien – die große Sommerblüte im Park

      17. Juli - 20. August

Führungen