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Weihnachtsausstellung über Max Helbig

Hausierer, Rastelbinder, Handelsmänner

Beitrag zur Weihnachtsausstellung 2015

Im sächsischen Erzgebirge
Da ist gar große Not,
Der Doktor nennt es Typhus,
Das Volk nennt`s Hungertod.

Das Volk war arm. Aber es gab noch ärmere, die Hausierer, Rastelbinder oder Handelsmänner. Sie kamen aus Böhmen oder der Slowakei herüber, manche sogar aus Bosnien. Oft waren sie Jahre unterwegs, bis sie ihre Familien in der Heimat wiedersahen. Sie handelten mit allem Tragbaren und führten Reparaturen im und am Haus durch. Zunehmende Industrialisierung schmälerte ihr Einkommen weiter. Nach dem ersten Weltkrieg waren sie kaum noch anzutreffen.

Kurt Arnold Findeisen schrieb einen ihrer Werberufe in seinem „Goldenen Weihnachtsbuch“ auf:
Mausifalli, Rattifalli,
alles, was Sie habe wolle,
Pfännle, Töpfle, Näpf` und Tiegel,
Stürzen, Löffel, Kleiderbügel.
Einzustricken Form und Faß.
Gute Mutter, kauf sie was!

Die in Draht eingebundenen Steinzeugtöpfe sind heute bei Sammlern hoch begehrt, dokumentieren sie doch eine längst vergangene, aber im Volke tief verwurzelte Geschichte. Erzgebirgische Männelmacher fertigten die Rastelbinder gern als Räuchermänner.

Handelsmann Max Helbig aus Lippersdorf

„Kauft Hosenträger, Taschenkamm vom Lippersdorfer Handelsmann.
Als Bitschka er die Welt bereist, mit rechtem Namen Herr Helbig heißt.“

Besonderes Glück und die Hellsichtigkeit des Kunsthändlers und Restaurators Tom O. Letz bescherten uns eine einmalige museale Kostbarkeit: den Handelskasten von Emil Max Helbig (1886 bis 1965). Der Kasten, der Ende der zwanziger oder Anfang der dreißiger Jahre auf den Hausboden wanderte, blieb dort fast 90 Jahre unberührt stehen. So ist er noch heute mit den originalen Utensilien versehen. Der Handelskasten ist ein Schränkchen mit lauter kleinen Schiebern. Ein jeder beherbergt ein Gewerk. Gegen die Wetterunbilden ist alles mit Leder umhüllt. In einem Fach sind Nähutensilien, im nächsten Samen und anderes für den Gärtner, dem folgen Maler, Klempner, Schmied, Schuster, kurz alles was so für Reparaturen in Haus und Hof benötigt wurde. Später hat Max wohl sein Gewerbe nochmals erweitert und ein weiteres Schieberchen oben aufgesetzt.

Ein zweites Mal hatten wir Glück. Wir fanden, es wäre alle Mühe wert, die Geschichte zum Handelskasten zu suchen und es gelang uns. Im Telefonbuch haben wir nach möglichen Nachfahren recherchiert, mit heutigen Händlern, Gemeinderat und Pfarramt gesprochen und tatsächlich seine Enkelin Ursula Schubert gefunden. Sie wohnt in dem inzwischen modernisierten Häuschen, lud uns zum Kaffee am Kamin ein, gab uns Fotos und Dokumente und erzählte aus dem Leben von Max Helbig.

Max lebte in Lippersdorf bei Lengefeld von Gelegenheitsarbeiten. Meist zog er von Bauer zu Bauer um zu helfen. Nach Heirat seiner Milda erblickten Kinder in großer Zahl die Welt. Nur 7 der geborenen 12 Kinder blieben am Leben. Sie wollten essen und mussten gekleidet werden. Da bot es sich an, dass er von einem böhmischen Wanderhändler (dem „Bitschka“) den Handelskasten übernehmen konnte. Mit diesem erbte er auch den Namen und zog nun damit in die umliegenden Gemeinden.

Max war klein von Wuchs, der Handelskasten war schwer, die Einnahmen des Handels reichten nicht zum Leben. So hielt er sich Kleinvieh wie einige Schafe dazu. Die Milch der Schafe tranken die Kinder. Aber auch die Schafe wollten fressen, doch Max hatte kein Land. So mähte er Straßenränder, wo er nur konnte. Auf abgeerntete Felder ging er Ähren lesen und Kartoffeln stoppeln. Auch geheizt musste werden. Holz aus dem Wald zu holen war nicht erlaubt. Einzige Möglichkeit war das Roden der verbliebenen Stöcke abgeholzter Bäume. Eine wirkliche Schinderei!

Max brauchte natürlich ein Häuschen für seine Familie. Wie baut man ohne Geld? Neben der Baustelle fließt ein Bach. Dort heraus wurde Bausand „gefischelt“ und auch Steine zum Bauen konnte man darin gewinnen. Da und dort fand Max ein Brett, oder bei einem Bauern, wo er arbeitete, war mal was übrig. Mit ungeheurem Fleiß entstand am Ende ein ansehnliches Häuschen. Natürlich blieb es eng. Die Kinder schliefen zu dritt in einem Bett.
Sie wuchsen heran; die jungen Männer trugen bald die Uniform der Wehrmacht. Dies war ein, wenn auch fragwürdiges, Sozialprogramm ersten Ranges. Endlich und erstmalig in ihrem Leben hatten die Hausiererkinder satt zu essen und warme Kleidung. Ja, sie waren nun überhaupt erst mal wer.

Uniformen machen Leute. Für die Eltern war es eine große Entlastung. Wegen einer Handverletzung wurde Max mit 40 Jahren Invalidenrentner, wurde vor allem von seinem Sohn Paul sehr unterstützt und lebte in seinem Häuschen noch bis zum Tode im Jahre 1965.

Max Helbig, diesem einfachen Mann aus dem sächsischen Erzgebirge, wollten wir mit unserer Weihnachtsausstellung 2015 gedenken. Liebe Besucher dieser Seite, schauen Sie sich die wenigen Bilder an. Max, seine Freunde und Verwandten haben gelebt, gelacht und gefeiert. Sicher können wir nicht sein, ob unser gewachsener Wohlstand in einer globalisierten Welt uns heute mehr Freude und Glück beschert.