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Kein schönerer Anblick für Tafel & Balkon

Ausstellungszeit: 1. Mai bis Mitte Oktober

Wäre das nicht wunderbar: Sie sitzen an einer festlich gedeckten Tafel, darauf steht ein kleiner Apfelbaum mit herrlichen Früchten. Als Nachtisch pflücken Sie sich den Schönsten und beißen voller Lust in die knackig süß-saure, aromatische Frucht. Oder Sie sitzen an einem heißen Spätsommertag im Liegestuhl auf dem Balkon, lesen vielleicht ein spannendes Buch – daneben ein Apfelbaum, der Ihnen köstliche Früchte spendet. Diese paradiesähnlichen Zustände kannte man in Mitteleuropa schon vor reichlich 250 Jahren durch die Kultur von „Obstorangerien im Scherben“. Dabei wurden Obstbäume gesammelt, nach der gleichen Technik wie bei Bonsai kleingehalten und in schöne Keramiktöpfe gepflanzt. Oftmals wurden sie nach Vorbild der Orangenbäume in Töpfen in Orangerien oder Kalthäusern überwintert.

Fernöstlicher Einfluss oder eigene Gartenkultur?

Die Früchte gelangten als Tafelobst oder auch als Baum, von dem man selbst pflücken konnte, auf die festliche Tafel. Eine schöne Schilderung aus England soll dem Leser nicht vorenthalten werden: „Ein wesentlicher Reiz der Obstbäumchen in Töpfen oder Kübeln besteht darin, daß die Bäumchen, sobald die Früchte ihre Reife erlangt haben, die Tafel, die Tafelzimmer und Salons ausschmücken und den Gästen den erfreulichen Genuß des Selbstpflückens überlassen. Womit möchte man in der That einen Speisesaal reizender und einladender zu zieren, als mit einer Aufstellung solcher Bäumchen mit reifen Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen, Aepfeln, Birnen, Kirschen, und von Trauben strotzenden Reben, mit den erquickenden Anblick der köstlichen Erdbeeren, welche so freundlich zwischen dem heiteren Grün ihrer eleganten Blätter hervorblicken?“ (RIVERS 1864). Dieker spricht von „ergözen oder gar erbauen“ wenn die Obstorangerie „bei fröhlichen Mahlzeiten auf den Tafeln, als genußreiche Augen-Weide pranget“(DIEKER 1826).

Erste kleinere Versuche mit dieser Kultur unternahmen die Franzosen, daher liest man auch manches Mal den Begriff „Franzbäume“. Über Holland verbreitete sich diese Gartenkunst nach England und auch Deutschland.

Die Ursprünge für diese Gartenkultur liegen aber in Fernost. Wieder war es der chursächsische, später königliche Hofgärtner Johann Heinrich Seidel, der Vater unseres sächsischen Gartenbaus, der in seinem 1803 erschienenen Buch „Der Frühlings- und Sommergärtner“ die „Obstorangerie, nach Art der Chinesen in Scherben zu ziehen“ auf die Ursprünge verweist. Johann Wolfgang von Goethe beschrieb diesen Ausnahmegärtner als den „Wissenden“ und dies finden wir auch hier wieder bestätigt. Illustriert wurde Seidels Buch mit einem Kupferstich, einen Chinesen darstellend, der mit Zwergobstbäumen handelt (LEONHARDI, SEIDEL 1803). Andere Autoren verweisen auf Japan als Herkunftsland dieser Kulturen (TITTELBACH 1882). Der praktische Sinn der Mitteleuropäer wählte sich aus dem großen Gebiet der Bonsaikunst die Obstgehölze, um eine eigenständige abendländische Gartenkultur zu entwickeln. Philosophie und Religion allein und damit Kiefern, Wacholder, Ahorn und Bambus reichten nicht.

Seidel und sein Mitautor Leonhardi ordnen die Kultivierung von Zwergobstbäumen in Töpfen der großen gartengestalterischen Wandlung dieser Zeit zu: „Allein nachdem man jenen alten, durch Franzosen und Holländer eingeführten Zwang der Kunst nach und nach verlassen hat, und die Gartenkunst nach dem Beyspiele der Chineser durch die Engländer und Deutschen wieder zu einer zwanglosen, und soviel als möglich, treuen Nachahmung der Natur machte, erhielt dieselbe …einen Grad von Vollkommenheit, welcher wenig mehr zu wünschen übrig läßt“ (LEONHARDI, SEIDEL 1803). Ausdruck dessen ist auch, dass für die Obstbäume überwiegend natürliche Kronenformen gewählt wurden.

Wenige Jahre zuvor, im Jahre 1799, ging auch der bekannte Obstfachmann J. V. Sickler noch von Parallelentwicklungen aus und empfahl sich mit der „Baum- und Obstkultur der Chineser“ zu beschäftigen, um z.B. den im Artikel beschriebenen Vorgang des Abmoosens zur verstärkten Vermehrung für Obstorangerien zu nutzen. Ursache seiner Schlüsse war der Bericht von Sir George Staunton, über „Des Grafen Macartney Gesandtschaftsreise nach China“ aus dem Jahre 1792 und 1793. Nach Landung der Gesandtschaft in Ting-hai, Provinz Tsche-kiang, lesen wir über den Empfang:

„Im Audienzzimmer befand sich auch noch etwas anderes, das die Neugierde erregte und wenigstens für Fremde auffallend war. Auf mehreren Tafeln standen Behältnisse die voll Erde mit Zwergkiefern, Eichen und Fruchtragenden Appelsinen-Bäumen waren. Von diesen war keiner über zwey Fuß hoch. Einige dieser Zwerge hatten Alters wegen, alle Zeichen der Hinfälligkeit an sich und auf der Erde waren kleine Haufen von Steinen zerstreut, die in Vergleichung mit den nahe stehenden Zwergen, Felsen genannt werden konnten“ (SICKLER 1799).

Ein Jahr später erscheint ebenfalls in Sicklers „Der Teutsche Obstgärtner“ eine Schrift, wo die Methode des Abmoosens als durchaus auch hierzulande bekannt beschrieben wird (SICKLER 1800). Wie wir später lesen, waren zu dieser Zeit die Topfobstbäume schon mehrere Jahrzehnte in Deutschland in Kultur.

Für ein kenntnisreiches Studium der Obstorangerien verweisen die genannten Autoren Seidel, Leonhardi und Sickler sehr zu Recht auf das erstmals 1795 erschienene Werk: „Über die Anlegung einer Obstorangerie in Scherben“ von Herrn Hofrath August Friedrich Adrian Diel. Er selbst besaß im Jahre 1798 bereits 181 Apfelsorten, 100 Birnensorten und 18 Pfirsichsorten im Scherben (DIEL 1804). Die genaue Beobachtung seiner Pflanzen führte zu einer fast 500seitigen Abhandlung, die weder im Umfang noch in der detaillierten Beschreibung jemals übertroffen wurde. Dieker schreibt: „Diel gebührt indessen die Ehre, die Art der Behandlung der sogenannten Obstorangerie-Bäumchen auf eine wissenschaftliche Weise zuerst vorgetragen zu haben“ (DIEKER 1826).

Offensichtlich gab es aber heftige Diskussionen über den Nutzen der von Diel so beförderten Topfobstbäume. So sah sich Pfarrer Sickler 1796 veranlasst, einige Befürworter zu Wort kommen zu lassen und er begründet dies: „… und damit den wahren Pomologen bewegte sich mit mehrerm Eifer auf die Erziehung solcher Bäumchen zu legen, weil sie ein wahres Mittel seyn werden dem Studium der Pomologie sichere und schnellere Fortschritte zu verschaffen,…“ (Sickler 1796). Diel kam durch Zufall zu dieser Obstkultur. Im Jahre 1782 konnte er einen Pfirsichbaum seltener Sorte wegen einsetzender Fröste nicht mehr in den freien Grund pflanzen und so topfte er ihn ein. Im nächsten Jahr trug das Bäumchen dann tatsächlich zwei Früchte. Nun erinnerte sich der Hofrath, doch schon in Frankreich solche Obstorangerien gesehen zu haben und begann sich ernsthaft damit zu befassen (DIEL 1804).

Die ursprünglichen Obstorangerien waren natürlich Zitrusgewächse, die in Kübeln kultiviert, die Orangerien der Herrscherhäuser füllten. Obergärtner Dieker schreibt dazu: „Da die Erziehung der Zitronen- und Orangen-Arten in Töpfen und Kübeln,… schon so lange in Deutschland … bekannt war, so ist es wirklich seltsam, daß es solange dauern konnte, bis man mit unsern gewöhnlichen Obstbäumen den Versuch machte, sie ebenfalls in Geschirren zu ziehen, da man der Sache doch so nahe war“ (DIEKER 1826). Auch Pfarrer Johann Volkmar Sickler weist schon 1798 in seinem Obstbaumagazin „Der Teutsche Obstgärtner“ darauf hin, dass die Topfobstbäume aus gutem Grunde durch Hofrat Diel „Obstorangerien“ genannt werden: „Denn wie bei ausländischen und aus wärmern Gegenden zu uns gekommenen Orangebäume in Kübeln und dergleichen Gefäßen gezogen, und im Winter in Orangerie-Häuser gebracht und gepfleget werden müssen, so erfordern diese auch eine gewiße ähnliche Behandlung; nicht sowohl ihrer Natur, sondern der Sicherheit wegen,…“ (SICKLER 1798).

Herr Hofgärtner Eichhof im herzoglichen Garten zu Ichtershausen schrieb 1796 an Sickler: „Beinahe vor 50 Jahren, als ich zu Belvedere zu Weimar bei dem damaligen berühmten Hofgärtner Gentsch die Gärtnerei erlernte, hat selbiger Pfirsichen, Birn und Aepfel in Töpfen und Geschirren erzogen“(SICKLER 1796). Das ist doppelt bemerkenswert: Zum einen wird deutlich, dass es wohl die Orangenkultivateure waren, die auch hiesiges Obst für Topfkulturen testeten. Zum anderen finden wir hier einen Hinweis, dass die Ursprünge deutlich vor 1750 lagen.

Auch Dr. Diel wies auf frühe Topfobstkulturen in der Wetterau, in Franken und in Schwaben hin (DIEL 1804). Heute ist es schwer einzuschätzen, inwieweit sich durch zufälliges Probieren wie bei Hofrat Diels Pfirsichbaum eine eigenständige Gartenkultur in Europa entwickelte oder ob die Einflüsse aus Fernost bestimmend waren.

Nutzen der Zwergobstbäume

Während damals die ersten Zwergobstbäume in Töpfen dem reinen Vergnügen dienten, nämlich auf den Festtafeln der Adelshäuser frisches Obst zum Nachtisch selbst pflücken zu können, kam es nun zu einer Wandlung. Diel schreibt: „Nur durch sie (die Obstorangerien d.R.) ist er (der wirkliche Kenner d.R) im Stande, in wenigen Jahren sich einen Reichthum pomologischer Kenntnisse über Aechtheit, wahre Varietäten, Nomenklatur, Mannichfaltigkeit der Sorten, Verschiedenheit der Vegetation und Güte der Obstsorten zu eigen zu machen, und dadurch zuletzt kompetenter Richter in diesem Fache zu werden“ (Diel 1804). Damit war der heute noch in den Landwirtschaftswissenschaften übliche Gefäßversuch geboren. Zu den von Diel erwähnten pomologischen Kenntnissen gehören auch das Wissen über Schädlinge und die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten. Auch wird des Öfteren auf die Bedeutung für die Züchtung hingewiesen.

Reiser von Sämlingen werden auf Zwergobstbäume veredelt. Durch den frühen Fruchtansatz kann man schneller zum Urteil und Ergebnis kommen. Obergärtner Dieker ergänzt, dass man mit Hilfe von Topfobstbäumen Kinder an die Obstzucht heranführen kann, dass Jugendliche, die keinen festen Wohnsitz haben und Menschen, die in für den Obstbau ungeeigneten Gegenden leben, sich trotzdem mit Obstbau beschäftigen können (DIEKER 1826). Auf kleinster Fläche kann eine Vielzahl von Sorten aufgestellt werden. Der Hofgärtner Seidel gibt an: „…und hat man nur einen Raum von fünfzig Quadratschuh Land (entspricht etwa 300 qm), so kann man gegen dreihundert verschiedene Obstsorten im Scherben erhalten“ (LEONHARDI, SEIDEL 1803). Diel gibt für die gleiche Fläche 225 Sorten an (Diel 1804). Man kann also von einem Flächenbedarf eines reichlichen Quadratmeters pro Baum ausgehen.

Wie wir ja längst auch aus der Kultur von Bonsai wissen, stehen die Früchte der Zwergobstbäume in Größe und Qualität denen der großen Bäume nicht nach. Hofrath Diel gibt den Ertrag mit 20 bis 50 Früchten pro Baum an (DIEL 1804).

Neben den typischen und schon erwähnten Arten nutzte man als Topfobst auch Wein, Stachel- und Johannisbeeren, sogar Erdbeeren (HERRMANN 1886), Mandeln (DIEL 1804) und Feigen (WALL 1848).

Ein Zwerg macht Schule

So, wie die Zahl der Liebhaber und die Anzahl erstrebenswerter Sorten wuchs, wurde die Kultur auch interessant für Baumschulen. So erschien folgerichtig im Jahre 1813 als nächste größere Schrift das Buch des Dresdner Handelsgärtners Christian Friedrich Poscharsky: „Die Obstorangerie, oder Anweisung, Obstbäumchen im Scherben zu ziehen, mit einem Unterrichte über Baumschulen“. Herr Schwab, der Präsident des Gartenbauvereins in Darmstadt, schreibt 1873: „Die Zucht und Veredlung der Topfbäumchen ist für die großen Baumschulen, wie für die Handelsgärtner ein bedeutender Industrie- und Handelszweig geworden; die Einführung und Verbreitung edler Obstsorten wird durch die alljährlich disponiblen Edelreiser befördert;…“ (SCHWAB 1873).

Schon 10 Jahre davor konnte man in der „Deutschen Garten-Zeitung“ lesen: „Fast jede größere Baumschule verkauft deren (Zwergobstbäume in Töpfen d.R.), und manche wird sie sogar in Exemplaren vorräthig haben, welche bereits ein oder zwei Jahre in Töpfen gehalten worden sind“ (B. 1863). Allerdings spielten dabei auch ausländische Produzenten eine Rolle. Lesen wir bei Herrn Neubert dazu: “ Die in den meisten Hamburger Gärten zur Kultur in Töpfen verwendeten Bäumchen sind aus England oder Frankreich. Am meisten sind die aus England geachtet, weil sie wegen ihres hohen Preises auch für die schönsten gelten. Der Hamburger hat überhaupt nur wenig oder gar keine Sympathie für französische, desto mehr aber für englische Produkte. In Wirklichkeit sind die französischen Bäumchen weitaus die schönsten; aus Deutschland bezogene Exemplare trifft man nur selten“ (NEUBERT 1885).

Inzwischen hatte man Hofrath Diels Buch auch in Österreich studiert und es fanden sich auch dort viele Liebhaber dieser speziellen Gartenkunst. Der Chorherr von St. Florian, Joseph Schmidberger, gab 1821, mit Nachauflage von 1828, in Linz die umfängliche Schrift: „Leichtfaßlicher Unterricht von der Erziehung der Obstbäume in Gartentöpfen, oder der sogenannten Obstorangerie-Bäumchen“ heraus. Er schreibt über die zunehmende Verbreitung der Topfobstbäume: „Es ist aber auch nicht leicht eine angenehmere Unterhaltung, als eine Obstorangerie, vorzüglich für den Beamten, den Seelsorger, und für jeden, der von Zeit zu Zeit eine Erholung und Erheiterung des Geistes bedarf“. Zwei Dinge sind ihm besonders wichtig. Die Nutzung für den Blumenfreund, wegen der schönen Blüte, aufgestellt auf der Blumenbank unter dem Fenster. Dafür empfahl er besonders schön blühende Sorten. Des Weiteren stellt er die Vorteile für die Insektenforscher heraus, da er auf den Obstorangerien „alle diejenigen Insekten an(-trifft), die sich die Knospe oder das Blatt, die Blüthe oder die Frucht zur Nahrung wählen“ (SCHMIDBERGER 1828). Obergärtner Dieker beschreibt die Sammlung des Herrn Schmidberger, als „die größte und schönste“, die er je gesehen hat. Sie umfasste 120 verschiedene Apfel-, 70 Birnen, 10 Kirschen-, 24 Pflaumen- und 4 Aprikosensorten (DIEKER 1826).

Den Reigen der wichtigsten Schriften zu den Topfobstbäumen schließt das von Ferdinand Freiherrn von Biedenfeld herausgebrachte Werk des Engländers Thomas Rivers: „Die Obstbaumzucht in Töpfen und Kübeln“.

Alle die genannten Standardwerke beschäftigen sich in einer uns heute unbekannten Weise intensiv und detailliert mit Fragen des Schnittes, des Umtopfens, des Gießens und Düngens, der Veredlung und Anzucht, der Töpfe nebst dazugehöriger Untersetzer, der Überwinterung und Aufstellung zu verschiedenen Jahreszeiten, der Züchtung und Sortenwahl und nicht zuletzt auch mit Krankheiten und Schädlingen. Zahlreiche Artikel in Zeitungen publizieren die Erfahrungen der Anwender.

Reicher Ertrag

Einer der wichtigsten Vorzüge des Topfobstbaumes gegenüber ausgepflanzten Bäumen ist die Möglichkeit eines sicheren Ertrages. Daher hält Thomas Rivers selbst im deutlich milderen englischen Klima ein Obstglashaus für sehr wichtig. Er schreibt: „…so muß das Haus so eingerichtet sein, daß die Blüte im Folgejahre unter Einfluß von Licht und Luft und so geschützt gegen die verderblichen Nachtfröste ungestört vor sich gehen kann, der Fruchtansatz gesichert wird und die Bäumchen ihre Früchte ungehindert reifen können“ (RIVERS 1864).

Gerade bei empfindlichen Obstarten wie Aprikose oder Pfirsich war dieser besondere Aspekt interessant. Herr B. äußert sich recht launisch dazu: “ Droht gegen die Blütezeit Pancratius, Servatius oder ein anderer wunderlicher Heiliger mit Frost, oder fällt Regenwetter ein, so läßt man die blühenden Bäumchen in Sicherheit bringen, bis die Gefahr vorüber ist“ (B. 1863).

Die sichere Ernte war natürlich auch den Gärtnern der Preußenkönige in Sanssouci das Allerwichtigste. Der königliche Hofgärtner Kunert beschreibt die dortige Kultur. An Talutmauern mit vorgesetzten Glaswänden wurden über 1000 Bäume eingestellt. Erst nach der Blüte erhielten sie einen hellen warmen Sommerplatz auf den Terrassen von Sanssouci, wo sie ausgiebig bewundert wurden.

Zwergenobstbäume als Ausstellungsstücke

Eine bedeutende Sammlung unterhielt auch Fürst Schwarzenberg, dessen Bäume auf der Wiener Weltausstellung „durch ihre Schönheit und den Reichthum an wohlausgebildeten Früchten allgemeine Aufmerksamkeit erregten“ (SCHWAB 1873).

Überhaupt präsentierten die Eigentümer ihre schönsten Obstorangerien sehr gern auf Ausstellungen. Als Beispiel finden wir hier einen Bericht über die Schaustellung der Bäume aus Sanssouci auf der Internationalen Kunst- und Gartenbauausstellung in Düsseldorf (KUNERT 1904) oder der Sammlung des Herrn Rob. M. Sloman auf der Gartenbauausstellung in Hamburg. Damals wurde berichtet: “ Glanzstücke, allgemein bewunderte Leistungen gärtnerischer Kunst waren die Topf-Obstbäume auf der Gartenbauausstellung in Hamburg. Wer es vorher nicht wusste, zu welcher Vollendung die Topf-Obstbaumkultur in Hamburg gebracht ist, der stand in staunender Bewunderung gefangen vor diesen Gruppen früchtebeladener Bäumchen“ (ohne Autor 1883).

Eine der letzten großen Sammlungen war die der Familie Krupp im Garten der Villa Hügel in Essen. Hier wurde noch Anfang des 20. Jahrhunderts die Topfobstkultur mit großer Perfektion betrieben. Die Blüten wurden nicht nur wie üblich vor Regen geschützt, sondern auch künstlich befruchtet. Später, wenn die Früchte die Größe eines Hühnereis hatten, wickelte man diese einzeln in Papiertüten, damit die Frucht rein bliebe und ein zartes duftiges Aussehen erhalte. Pro Baum erhielt man 30 bis 40 vorzügliche Schaufrüchte mit einem Gewicht von 300 bis 400 Gramm. Insgesamt lieferten 300 Topfobstbäume etwa 5000 Früchte im Jahr (GRUNST 1909).

Durchaus wichtig für den Kulturerfolg ist die Wahl des Pflanzgefäßes. Die meisten Autoren ziehen Steinzeugtöpfe den hölzernen Kübeln vor. Eine besonders trendige Idee kam aus NewYork: Am Broadway verkaufte man Reben, Erdbeeren, Pfirsiche, Apfel- und Kirschstämmchen mit reifen Früchten in Weidenkörben (GARTENBAUGESELLSCHAFT 1863).

Obstzucht im Zwergenformat

Heute gibt es eigentlich das ganze Jahr über frisches Obst zu kaufen. Vieles wird aus südlichen Ländern zu uns gebracht. Der Wunsch den Zeitraum zu verlängern, in dem frische Früchte die Tafel bereichern, gab es schon lange und das leichte Transportieren und der geringe Platzbedarf der Zwergobstbäume halfen diesen zu erfüllen. Man baute sich helle, gut lüftbare Glashäuser zur Obsttreiberei. Die Weintreibhäuser der Engländer, in denen sie zu ungewöhnlicher Zeit außerordentlich große Trauben erzielten, waren längst auch in Deutschland verbreitet. Auch gab es Treibhäuser mit ausgepflanzten Pfirsichen, die man aber nicht transportieren konnte und die das ganze Jahr das Treibhaus blockierten. So war es nur ein folgerichtiger Schritt, gleiches mit den Obstorangerien zu versuchen. Ab Ende März, Anfang April beginnt man die Treiberei mit 5 – 6 ° R (6,25 – 7,5 °C). Langsam erhöht man bei weitem Stand, reichlichem Spritzen und guter Lüftung die Temperatur auf 10 – 12° R (12,5 – 15 °C). Woldemar Neubert schreibt: „Das Lüften aber wird gerade zu dieser Zeit besonders forciert, um die Befruchtung durch eine schwache Luftströmung möglichst zu erleichtern“ (NEUBERT 1885). Nach Ausdünnen des Fruchtbehanges, Pinzieren der Triebe und Erreichen einer fortgeschrittenen Fruchtausbildung wurden die Bäume wieder im Freien aufgestellt. Dann konnte bald die verfrühte Ernte erfolgen.

Bei Pfirsichen rät Karl Räde, ein Obergärtner aus Budapest, Anfang Dezember mit der Treiberei zu beginnen. Begonnen wird mit 3 – 6° R (3,75 – 7,5° C), dann jede Woche um 2 – 3° R (2,5 – 3,75° C) erhöht, erreicht man in der 5. Woche 15 – 18° R (18,75 – 22,5° C). Während der Blüte empfiehlt er, zur besseren Befruchtung neben dem Lüften mit einem Fächer zusätzlich Wind zu machen. Bis zur Reife der Früchte sollten am Tag 14 – 18° R (17,5 – 22,5° C) und nachts 12° R (15° C) gehalten werden (RÄDE 1898).

Andere Autoren empfehlen zur Befruchtung zusätzlich die Bäume zu schütteln oder mit Pinseln zu bestäuben (MÜLDERS 1911).

Genauestens und mit nicht wenig Stolz werden die Ergebnisse notiert. So erzielte der Obergärtner Schaffner auf der Besitzung von Jaques Huber in der Schweiz Äpfel von 560 Gramm und Weintrauben mit einen Gewicht bis zu einem Kilogramm je Traube (MÜLDERS 1911).

Vor allem beim Treiben von Topfwein gab es auch recht günstige Methoden. Man stellte die Pflanzen an einer warmen Mauer auf oder brachte sie in Kästen. Durch einen Graben gefüllt mit Pferdemist erzielte man Erdwärme (URLANDT 1887).

Der I.Weltkrieg brachte auch hier eine Zäsur. Vorbei war die Zeit der großen Sammlungen, der beschaulichen Beschäftigung mit der Natur und der luxuriösen Obsttreiberei. Auch der Begriff der „Obstorangerien“ verschwand weitestgehend und wurde durch das lapidare Wort „Topfobst“ ersetzt. Auch wurden in der Nachkriegszeit viele Kleingärten zur Versorgung angelegt. Interessant wurde die Kultur für die Balkone und Fensterbretter in den Großstädten. Im Jahre 1923 schreibt ein Herr Trott: „Wieder ist es der arme Großstädter, der die vielen Freuden der eigenen Obstzucht entbehren muß, da er über kein Stück Garten verfügt. Wer niemals einen eigenen Garten besessen hat, der kann sich kein Bild davon machen, mit welchem Interesse, ja welcher Lust das Wachstum der Obstbäume und Sträucher verfolgt wird. Zuerst ist die Erwartung auf eine reiche Blüte vorherrschend; ist diese eingetreten und hat sich das Auge an der Pracht erfreut, so beginnt auch schon das Interesse zu erwachen: wie wird sich der Fruchtansatz gestalten? Bald kann man auch hier seine Neugierde stillen, und ist der Ansatz ein reicher, so rechnet man schon im Stillen mit der guten Ernte. All diese Freuden, diese Erwartungen, muß der arme Großstädter entbehren. – Ihm bleibt nur sein wenige Schritte langer Balkon, als Erholungs- und Ruheort. Aber auch er kann sich seinen Obstgarten schaffen, natürlich nur im Kleinen“ (TROTT 1923).

Garteninspektor Gold empfiehlt neben dem Aufstellen von Obstkübeln in den Höfen vor allem „die modernen, dachlosen Neubauten“ zu nutzen, deren Dächer sich als Gärten umgestalten ließen (GOLD 1931).

Während Qualität und Umfang dieser sehr außergewöhnlichen Gartenkultur zwischen den großen Kriegen schon stark nachließ, verschwand diese nach Ende des II. Weltkrieges fast völlig aus dem Bewusstsein der Menschen.

Ökonomischer Nutzen

Selten findet sich ein Buch oder Artikel über Obstorangerien, in dem sich die Autoren nicht mit der Frage beschäftigen, ob dies alles nicht nur eine Spielerei sei, da sich der ökonomische Nutzen schwer darstellen lässt. Allerdings kommt man immer schnell zu dem Resümee, dass es wenige Beschäftigungen gibt, wo sich Nutzen und Vergnügen so wunderbar paaren. Die Antwort des Herrn Hardtleben aus dem Jahre 1889 soll hier beispielgebend aufgeschrieben werden: „Wer einen grossen Obstgarten hat, dem mag wohl die Topfobstkultur nur als eine Spielerei vorkommen. Er selbst hat ja nicht nötig, die Obstbäume in Töpfe oder Kübel einzuzwängen und sie zu kleinen Zwergen herabzuwürdigen.

Von seinem Standpunkte aus gesehen, mag er ja wohl recht haben, er darf aber nicht nur vergessen, dass die Verhältnisse, die Ansichten und Liebhabereien der Menschen gar zu verschieden sind. Kein verständiger Mensch wird etwas Einfältiges darin finden, wenn ein Mann, dem sein Beruf den ganzen Tag an die Schreibstube bindet, in seinen Mußestunden Obstbäumchen in Töpfen zieht, sie pflegt und tagtäglich mit einer Aufmerksamkeit besieht, als wenn er jedes Blättchen an den Bäumchen zählen wollte“ (HARDTLEBEN 1889). Dieser Aufruf zur Toleranz verhallte damals sicher genauso ungehört wie heutzutage die von völliger Unkenntnis sprechenden Kritiken an der Bonsaikunst. Es urteilt sich ja bekanntlich immer leicht über Dinge, von denen man eigentlich nichts weiß.

Weitere Vorteile der Zwergobstbäume in Töpfen zählt der „Erfurter Führer“ in einer Schrift auf: Man kann Land nutzen, welches weder klimatisch noch vom Boden her eigentlich für den Obstbau geeignet ist. Weiter lesen wir: „Es ist erwiesen, daß alle Obstarten durch die Kultur im Topfe viel edlere, gesundere und schönere Früchte bringen, als draußen im Freilande. Eine frühere Blütezeit und ein im Herbst geschützter Stand verlängern die Vegetationszeit, geben mehr Wärme und machen die Früchte schmelzend und edel“ (ZIMMERMANN 1932).

Alle diese guten Gründe zur Anlegung einer Obstorangerie sind heute genauso aktuell wie damals.
Etwa Mitte der 80iger Jahre begannen wir uns mit der Historie von Bonsai, den Zwergbäumen der Japaner und Chinesen, zu beschäftigen. Besonders suchten wir nach eigenständigen Entwicklungen in Europa und stießen dabei auf die „Obstorangerien im Scherben“. Damit glaubten wir, dass die Technologie der Verzwergung nicht nur in Ostasien, sondern auch in Europa entwickelt wurde. Als wir dann das eingangs erwähnte Buch des Churfürstlichen Hofgärtners Johann Heinrich Seidel “ Der Frühlings- und Sommergärtner“ aus dem Jahre 1803 in die Hände bekamen, wurde der Irrtum offenbar. Die Ursprünge lagen eindeutig in Fernost. Fasziniert aber von den sich bietenden Möglichkeiten begannen wir, das übliche Handelssortiment der DDR, welches von historischen Sorten bis zu Pillnitzer Neuzüchtungen reichte, auszuprobieren. Nach historischem Vorbild entwickelten wir gemeinsam mit dem Steingutwerk in Dommitzsch einen im offenen Feuer gebrannten, manufakturell hergestellten Steinzeugtopf. Unser Sortiment haben wir inzwischen auf etwa 100 Obstsorten, vorrangig Äpfel, erweitert, die in Sachsen angebaut wurden und werden. Mit nahezu 1500 Pflanzen haben wir vermutlich heute weltweit die größte Sammlung dieser besonders schmackhaften Gartenkunst.
Nennen wir das, was wir betreiben, heute durchaus noch praktisch anwendbare Denkmalpflege. Aber es gibt durchaus auch die „Alternativen“ für den modernen „Balkongärtner“. Da gibt es das säulenförmig wachsende Columnar-Obst in Töpfen oder auch züchterisch bearbeitete kleinwüchsige Sorten, welche wenig Raum beanspruchen.

Literatur
  • AHLÈN, G. (1884): Einige Ratschläge für die Kultur der Obstbäume in Töpfen. Deutsche Gärtnerzeitung. 297.
  • DIEKER, Herb. Rud. (1826): Der Obstgärtner im Zimmer oder Anweisung zur Erziehung und Haltung aller Arten tragbarer Obst-Bäume in Töpfen. Paßau.
  • DIEL, August Friedrich Adrian (1804): Über die Anlegung einer Obstorangerie in Scherben. 3. Auflage. Frankfurt am Main.
  • B. (1863): Die Grundzüge einer gedeihlichen Kultur des Obstbaumes in Töpfen. Deutsche Garten-Zeitung. 14: 106-106. Erfurt.
  • BINZ, F. C. (1886): Meine Topfobstbäume. Illustrierte Garten-Zeitung. 7-10.Stuttgart.
  • ECHTERMEYER, Th. (1908): Kultur des Topfobstes. Bericht der königlichen Gärtnerlehranstalt zu Dahlem für die Jahre 1906/07. 114-117.
  • GARTENBAUGESELLSCHAFT FLORA in Frankfurt/Main (1863): Kultur von Schmuckpflanzen und Zwergobst in Körben. Deutsche Gartenzeitung. 303. Erfurt.
  • GOLD, H. (1931): Kübel- und Topfobst. Erfurter Führer im Obst- und Gartenbau. 35: 273-274. Erfurt.
  • GRUNST, W. (1909): Die Kultur und Behandlung des Topfobstes. Die Gartenwelt, XIII. 3: 25-27.
  • HARDTLEBEN (1889): Obstsorten für Topfkultur. Erfurter illustrierte Gartenzeitung. 123-125. Erfurt.
  • HERRMANN, R. (1886): Die Topfobstbaumzucht. Jahrbuch für Gartenkunde und Botanik. 1: 233-238, 2: 307-311.
  • KAISER, Paul (1919): Die Topfkultur der Pfirsichbäume. Die Gartenwelt. 40: 315-316.
  • KUNERT, F. (1904): Die Kultur der Topfobst-Bäumchen in Sanssouci. Möller’s Deutsche Gärtner-Zeitung 49: 584 ff.. Erfurt.
  • LEONHARDI, F. G., SEIDEL, J. H. (1803): Der Frühlings- und Sommergärtner. Leipzig.
  • MEMMLER (1919): Die Kultur des Apfelbaumes im Topfe. Die Gartenwelt. 24: 190-191.
  • MÜLDERS, J. (1911): Einiges über Topfobsttreiberei. Die Gartenwelt 38: 38 ff.
  • NEUBERT, Woldemar (1885): Die Obstbaumzucht in Töpfen auf den Villen bei Hamburg. Illustrierte Garten-Zeitung. 202-206.Stuttgart.
  • Ohne Autor (1856): Einiges über Zwergobstbäume. Freiherr von Biedenfelds neueste Gartenzeitung. 62.
  • Ohne Autor (1883): Topf-Obstbäume auf der Gartenbauausstellung in Hamburg. Deutsche Gärtnerzeitung. 562 ff.
  • Ohne Autor (1886): Die Kultur von Obstbäumen in Töpfen. Deutsche Garten-Zeitung. 1: 10-11, 3: 35-37.
  • Ohne Autor (1902/03): Die Behandlung von Topfobstbäumen im Sommer. Erfurter Führer im Obst- und Gartenbau. 57-58. Erfurt.
  • Ohne Autor (1938): Topf-Obst. Möllers Deutsche Gärtner-Zeitung. 362, 395, 406.
  • POSCHARSKY, Christian Friedrich (1913): Die Obstorangerie, oder Anweisung, Obstbäumchen im Scherben zu ziehen, mit einem Unterrichte über Baumschulen. Pirna.
  • RÄDE, Karl (1898): Anzucht und Treiberei der Pfirsiche in Töpfen. Möller’s Deutsche Gärtner-Zeitung. 27: 301-302. Erfurt.
  • RÄDE, Karl (1900): Kultur der Topfobstbäume. Die Gartenwelt. 26: 301-302.
  • RIVERS, Thomas (1864): Die Obstbaumzucht in Töpfen und Kübeln. Weimar.
  • SCHMIDBERGER, Joseph (1821): Leichtfaßlicher Unterricht von der Erziehung der Zwergbäume. Linz.
  • SCHMIDBERGER, Joseph (1828): Leichtfaßlicher Unterricht von der Erziehung der Obstbäume in Gartentöpfen, oder der sogenannten Obstorangerie-Bäumchen. Linz.
  • SCHULZ, E. (1900): Die Pflege des Topfobstes im Sommer. Erfurter illustrierte Gartenzeitung. 195-196. Erfurt.
  • SCHWAB, W. (1873): Die Obstbaumzucht in Töpfen. Berliner Blätter. 82-84.
  • SICKLER, J. V. (1796): Über Erziehung, Wartung und Pflege der Obstorangerie-Bäumchen. Der teutsche Obstgärtner. 176-179.Weimar.
  • SICKLER, J. V. (1798): Über Erziehung, Wartung und Pflege der Obstorangerie-Bäumchen. Der teutsche Obstgärtner. 31-36.Weimar.
  • SICKLER, J. V. (1799): Über die besondere Art Zwergbäume in China zu machen, und sie wie Obstorangeriebäume auf Tafeln zu setzen. Der teutsche Obstgärtner. 294-297.Weimar.
  • SICKLER, J. V. (1800): Bemerkung über die in China übliche Manier, Zwergbäume zu ziehen. Der teutsche Obstgärtner. 326-329.Weimar.
  • TROTT, M. A. (1923): Topfobstbäume und deren Pflege. Der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau. 32: 249-250.
  • TITTELBACH, Jul. ( 1882): Kultur der Obstbäume in Töpfen. Zeitschrift für Obst- und Gartenbau. 4: 37-40. Dresden.
  • URLANDT, Edw. (1887): Schnelle und bequeme Erziehung von Topfreben. Gartenflora. 336-338.
  • WALL, G. (1848): Cultur der Feige in Töpfen. Archiv des Blumenbau- und Gartenbauvereins für Hamburg. 102-103.
  • ZIMMERMANN, P. (1932): Weiteres zur Topfobstzucht. In Erfurter Führer im Obst- und Gartenbau. 33:257-258. Erfurt.

Da wir leider nicht in der Lage sind individiuelle Anfragen zur Pflege Ihrer Zwergobstbäume zu beantworten, bieten wir Ihnen hier ausführliche Pflegehinweise.