Suche
Suche Menü

Historische Kamelien in Tschechien

Vor über 10 Jahren schickte uns eine Gartenfreundin aus Prag, Lenka Srnková, einen Artikel über Kamelien in Tschechien. Damit hatten wir endlich einen Anknüpfungspunkt gefunden; waren wir doch schon lange auf der Suche nach bei uns verschollenen alten sächsischen Kameliensorten. Da Tschechien geographisch zwischen den beiden Betrieben von Jacob Friedrich Seidel in Dresden und Traugott Leberecht Seidel in Wien liegt, waren hier unsere Hoffnungen besonders groß.

Sie wurden auch nicht enttäuscht, auch wenn die großen Sammlungen, wie die im Schloß Sychrov von Kamil Rohan (1801-1892) mit sagenhaften 600 Sorten, oder die des Schlosses von Böhmisch Krummau (Ceský Krumlov) nicht mehr existieren. Zwischen den historischen Kamelienstandorten in Tschechien und Deutschland, vor allem in Sachsen, gibt es viel Gemeinsames. Der Namensgeber dieser einzigartigen Pflanze, Georgius Josephus Camel (1661 – 1706) wurde als deutschstämmiger Tscheche im mährischen Brünn geboren.

Wir begehen in diesem Jahr (2011) seinen 350. Geburtstag. Wie Perlen reihen sich imposante Burgen und Schlösser, aber auch wundervolle Gärten und Parks rund um seine Geburtsstadt. In vier Einrichtungen davon haben Kameliensammlungen ihre Heimstatt. Im Botanischen Garten Liberec, zu deutsch Reichenberg, nicht weit von Sachsens Grenze, gibt es eine weitere Sammlung sehr alter Kamelien, die wir seit 1997 immer wieder besuchen.

Der Botanische Garten Reichenberg (Liberec)

Betritt man heute den Pavillon I der Schaugewächshäuser, erlebt der Besucher eine Wunderwelt uralter Kamelien, gepflanzt rund um einen kiesumrandeten Teich, in dem sich bunte japanische Karpfen tummeln. Die Kamelien stammen ursprünglich aus dem sagenumwobenen Wallenstein-Schloss Frydlant. Entstanden aus einer Burg aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erwarb es 1622 Herzog Albrecht von Wallenstein. Nach der Ermordung Wallensteins 1634 in Eger kaufte die Familie Gallas das Anwesen, welche mit ihrem Zweig Clam-Gallas bis 1945 dort residierte.

Christian Philip Clam-Gallas, ein Musik- und Kunstfreund, der auch die Bekanntschaft zu Beethoven pflegte, legte den bekannten Prager Garten Klamovka an. Sein Enkel Eduard Clam-Gallas (1805 – 1891) bepflanzte in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts den bisher kahlen Schlossberg mit seltenen Gehölzen. Wer die Kamelien nach Frydlant holte, ist durch Quellen nicht belegt. Das Interesse an Gärten und Pflanzen war wohl der ganzen Familie gegeben. Eine von Karl Postl Ende des 18. Jahrhunderts gefertigte Ansicht zeigt unterhalb des Schlossberges bereits eine großzügige Garten- und Orangerieanlage.Hier wurden die Kamelien in Kübeln gehalten.

Nach Abriss der Orangerie gelangten die Kamelien 1954, nach anderer Quelle 1956, in den Reichenberger Botanischen Garten. Der Garten wurde 1876 von den Naturfreunden Reichenbergs gegründet, mußte aber bald einem Museumsneubau weichen. Seit 1895 öffnete er am jetzigen Standort seine Tore und ist damit der älteste Botanische Garten der Tschechischen Republik. Im Jahre 1930 baute man dort das erste Palmenhaus. Zwischen 1995 und 1999 wurde eine 3000 qm große Neuanlage und damit die größte Gewächshausfläche eines Botanischen Gartens in Tschechien errichtet.

Von oben betrachtet, wirken die 9 Pavillons wie eine Anhäufung von Pflanzenzellen. Den besonderen Reiz macht das Begehen in zwei Etagen aus. So kann der Besucher unter den alten Kamelien entlang wandeln, aber auch von oben in die mächtigen Kronen schauen.

In Vorbereitung des Umpflanzens wurden die 6 ältesten Kamelien im Jahre 1996 bereits ringsherum abgegraben, da sie seit 1956 im freien Grunde standen. Es zeugt von hohem gärtnerischem Geschick, dass sich heute alle Pflanzen bester Gesundheit erfreuen. Laut einer Publikation des Botanischen Gartens (H. Pelcova) aus dem Jahre 1985 sollten die Kamelien damals 280 – demnach heute über 300 Jahre – alt sein.

Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass Kamelien in Kübeln sehr wenig an Stammumfang zunehmen, erscheint diese Angabe sehr unwahrscheinlich. Gehen wir von den bisher wieder bestimmten Sorten aus – ‚Althaeiflora‘ aus dem Jahre 1825 und ‚Imbricata Rubra‘ von 1830 – handelt es sich wohl eher um ein Sortiment aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damit gehören die Reichenberger Kamelien durchaus zu den ältesten in Europa und jeder Besucher wird von den Stammumfängen und mächtigen Kronen beeindruckt sein.

Dem Direktor der Sammlungen, Dr. Miloslav Studnicka und seinen Gärtnern, gilt unser herzlichster Dank für den Erhalt und den vortrefflichen Kulturzustand. Weiterhin gibt es noch eine Reihe Kamelien jüngeren Datums zu besichtigen. Die Blüte beginnt Ende Dezember und reicht weit in den Januar hinein. Zur Blütezeit im Winter sind die Gewächshäuser täglich von 8 – 16 Uhr geöffnet.

www.botanickazahradaliberec.cz

Pruhonitz (Pruhonice)

Als der bekannte Dendrologe und Zierpflanzenforscher, Herr Ing. Karel Hieke, im Institut für Zierpflanzenbau Pruhonice, nicht weit von Prag, mit seinen Untersuchungen an Kamelien begann, stand ihm ein dort vorhandenes Sortiment zur Verfügung. Er vermutet, dass es aus Dresden stammt. Tatsächlich ist die Dresdner Sammlung von T.J. Seidel (heute in Zuschendorf) und der heute in Raitz (Rájec nad Svitavou) befindlichen, ehemals Pruhonitzer, in großen Teilen sehr ähnlich.
Für seine Versuche ergänzte Karel Hieke die vorhandene Kollektion um einige Sorten aus England von Hillier (Winchester). Zu folgenden Themen führte Ing. Karel Hieke Forschungen durch:

  • Der Einfluß von Licht und anderen Faktoren auf das Wachstum und die Wurzelbildung der Kamelientriebe, 1965.
  • Beitrag zur Frage des Wachstums und Blühens der Kamelien, 1966.
  • Beitrag zur Frage des Wachstums und Blühens der Kamelien, II. Die Reichhaltigkeit des Blühens der Pflanzen, 1967.

Nach Beendigung der Versuche wurde die Sammlung in Pruhonitz (Pruhonice) aus Platzgründen aufgegeben. Geteilt kamen die Pflanzen in zwei Schlösser Mährens. Die eine Hälfte wurde in der Schlossorangerie von Austerlitz (Slavkov) ausgepflanzt. Später wurden Reste davon in den Schlossgarten von Buchlovice umgesiedelt. Den zweiten Teil der Sammlung bekam im Juni 1973 der Garten des staatlichen Schlosses Raitz an der Svitava (Rájec nad Svitavou).

Schloss Raitz an der Svitava (Rájec nad Svitavou)

Das klassizistische Schloss französischen Typs wurde durch die Angehörigen des Adelsgeschlechts der Salms in den Jahren 1763-1769, wahrscheinlich nach den Plänen des Wiener Architekten französischer Herkunft Isidor Caneval, erbaut. Gleichzeitig mit dem Bau des Schlosses wurde im Jahre 1767 auch der dortige Garten angelegt, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts in einen Landschaftspark umgestaltet wurde.

Im ersten Stock des Schlosses ist die Gemäldesammlung der Salms, vorrangig mit Werken von holländischen und flämischen Meistern untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich eine umfangreiche und sehr beeindruckende Bibliothek im Empirestil. Für botanisch und gärtnerisch Interessierte gibt es im gleichen Geschoss das originale, um 1780 entstandene Blumenkabinett von Amalie Mánes zu besichtigen. Die Holztäfelung ist mit verschiedenen Blütenpflanzen wie Clematis, Pelargonien, Hortensien und vielen mehr bemalt. Kamelien gibt es nicht. Überhaupt ist kein historischer Bezug zu dieser Pflanze nachgewiesen.

Als 1973 die Pruhonitzer Kameliensammlung eintreffen sollte, mußten vorher die vorhandenen Pflanzen auf andere Schlösser gebracht werden. Für den damaligen Schlossgärtner František Bárty war es kein leichter Abschied von den hochbetagten Palmen der Arten Chamaerops elegans und Phoenix canariensis, den Agaven (Agave americana) und Schneebällen (Viburnum tinus).

In Pruhonitz waren die Kamelien ausgepflanzt, was auch die zum Teil beachtlichen Stammdurchmesser erklärt. Die meisten Pflanzen überstanden Transport und Eintopfen recht gut. So umfaßt die heute umfangreichste Sammlung in Tschechien allein 85 größere Pflanzen aus dem Pruhonitzer Altbestand. Jan Dvorák, der Gärtner, der die Kamelien in Raitz über lange Zeit pflegte, führte auch eigene Kreuzungen durch und konnte so das Sortiment weiter ergänzen. Insgesamt gehören heute fast 150 Arten und Sorten zur Kollektion. Viele der älteren Sorten wie Althaeiflora (1825), Auguste Delfosse (1853), Bernhard Lauterbach (1956), Colombo (1840), Lady Campbell (1824), Mathotiana Alba (1858) und Alba Plena (1792) sind mit dem Seidelsortiment identisch.

Unterhalb von Schloss und Park, begrenzt von Mauern und einer Straße, befindet sich die in Terrassen angelegte Gärtnerei. Im unteren Teil erstrecken sich klassische Frühbeete, weiter oben gibt es Beete. Seitlich wird die Gärtnerei durch zwei mittig erschlossene Anlehngewächshäuser begrenzt. Eine Etage tiefer ergeben schräg angelehnte Glaswände weitere Überwinterungsräume. Im rechten der beiden Anlehngewächshäuser steht in großen Töpfen die Kameliensammlung.

Im Sommer werden die Pflanzen in einer Schattenhalle im Freien aufgestellt. Das linke Haus, mit zwei Rand- und einem abgetreppten Mitteltisch, beherbergt Fuchsien, Myrten, Zitronen, Orangen, aber auch jüngere Kamelien. Eine Nische in der Rückwand ist mit einer weiblichen Bronzefigur geschmückt, darunter ein Wasserbecken mit Goldfischen. Der Besucher fühlt sich in eine weit zurückliegende, romantische Zeit versetzt. In den letzten Jahren wurden Teile der Gewächshausanlage rekonstruiert.

Im Februar und März kann eines der Häuser besichtigt werden. Seit 1993 wird mit den Raitzer Kamelien in Brünn (Brno) oder in einem umliegenden Schloss, immer Ende Februar bis Anfang März, eine Schau mit wechselnder Thematik gestaltet. Da gibt es Kamelien mit Holz, mit Glas, mit Spitzen und vielem mehr. Aufwendig werden Festtafeln geschmückt, Blumenvasen gefüllt und anderweitig das originale Interieur der Schlösser floristisch eingebunden. Großen Anteil an den Gestaltungen hat Evžen Kopecký, der Kameliengärtner von Schloss Lissitz (Lysice), der seit der Pensionierung von Jan Dvorák im März 2009 auch für die Raitzer Kamelien verantwortlich ist.

www.npu.cz

Schloss Buchlowitz (Buchlovice)

Nachdem Herr Ing. Karel Hieke seine Versuche im Zierpflanzeninstitut in Pruhonitz (Pruhonice) beendet hatte und die dortige Kameliensammlung aufgelöst wurde, gelangte auch ein Teil der Kollektion über Austerlitz (Slavkov) nach Buchlowitz (Buchlovice).

Die einzigartige Architektur, die umfangreichen Sammlungen, seine ruhmreichen Schlossherren und seine historische Stellung während der letzten Jahre der Donaumonarchie machen das barocke Schloss zu einem Ort, dessen Bedeutung weit über die Grenzen Tschechiens hinausreicht. Mit dem Bau des Schlosses begann Graf Johann Dietrich Peterswald kurz vor der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Er wollte es seiner Gemahlin Anna Eleonora aus dem italienischen Geschlecht der Colonna zum Geschenk machen.

So entstand durch den Architekten Domenic Martinelli das reinste Beispiel einer italienischen Barockvilla im mitteleuropäischen Raum. Das Ensemble besteht aus zwei gegenüberliegenden Gebäuden: Dem Unteren Schloss, als Herrensitz mit großem Saal und Ehrenhof und dem Oberen Schloss, als Wohn-, Wirtschafts- und Verwaltungssitz. Kurz vor Beginn des I. Weltkrieges entschieden hier die vordersten Politiker der damaligen Zeit über das Schicksal Europas.

Der ursprünglich terrassierte Barockgarten im italienischen Stil wurde Anfang des 19. Jahrhunderts zu einem ausgedehnten englischen Park umgestaltet. Hier ist eine exzellente dendrologische Sammlung zu entdecken. Das umfangreiche Rhododendronsortiment stammt, wie auch die Kamelien, aus dem Zierpflanzeninstitut Pruhonice. Auch zur Schlossgärtnerei haben Besucher Zugang. Dort gibt es u.a. eine bedeutende Fuchsiensammlung von etwa 1000 Sorten zu sehen.

In einem architektonisch sehr interessanten Orangeriegewächshaus aus dem Jahre 1888, auch Palmenhaus genannt, sind die Kamelien untergebracht. Da sie aus gleicher Quelle wie die Raitzer (Rájec nad Svitavou) Pflanzen stammen, ist das Sortenspektrum ähnlich. Auch hier stammt vermutlich der größte Teil ursprünglich aus Dresden. Herr Dipl.Ing. Pavel Vlášek war langjähriger Hüter und kenntnisreicher Mehrer der Pflanzensammlungen. Schon sein Vater war Gärtner in Buchlowitz, was den Sohn schon von Kindesbeinen an mit dem Park verband.

www.zamek-buchlovice.cz

Schloss Lissitz (Lysice)

Die Auferstehung der Winterkönigin – schöner kann der Beginn der Kamelienblüte nicht angekündigt werden. So war ein Zeitschriftenartikel („Zahrádkár“ zu deutsch „Gärtner“) vom Februar 2002 überschrieben und meinte die Auferstehung im doppelten Sinne, denn es ging auch um die Geschichte einer Rettung von Kamelienpflanzen, deren Weg in Dresden begann und in Lissitz sein gutes Ende fand.

Doch nun zuerst zum Ort selbst: Aus einem Wasserschloss entstand in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ein Renaissance- und in den 30er Jahren des 18. Jahrhunderts ein Barockschloss. Vom barocken Umbau ist heute nur noch die Fassade am Eingang erhalten. Die letzten adligen Schlossherren waren seit Anfang des 19. Jahrhunderts die Dubskys von Strebomislitz, denen das Schloss sein heutiges klassizistisches Aussehen verdankt. Zum Interieur, zu bewundern auf zwei Stockwerken, gehören unter anderem eine Sammlung mit böhmischem Glas und eine Vielzahl von Kunstgegenständen aus dem Orient.

In der Rüstkammer kann neben Waffen europäischen Ursprungs aus der Zeit der Gotik bis zum ersten Weltkrieg auch eine Sammlung japanischer Waffen besichtigt werden. Einzigartig ist die Sammlung handbemalter Zielscheiben aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Eine der drei historischen Schlossbibliotheken ist nach der bekannten österreichischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach, geborene Gräfin Dubský, benannt.

Der Park wird durch eine mit einer Pergola überdachte, auf mächtigen Säulen lagernde Kolonnade dominiert. So konnten die Schlossbewohner bei jedem Wetter trockenen Fußes ihren Park aus angemessener Höhe betrachten. Auf einem Gemälde von 1779 (Ervin Dubský) sind deutlich zwei große Orangeriegebäude zu sehen. Diese wurden abgerissen, nachdem um 1870 ein kleines Stück weiter oben, auf der ehemaligen Brauerei, eine neue errichtet wurde.

Die heute sorgfältig restaurierte Überwinterungsanlage gliedert sich in Orangerie und Glashaus im Obergeschoß und in darunterliegende Anlehngewächshäuser. In dem sich anschließenden Wohnturm wohnt der Gärtner. Hinter der Orangerie befindet sich ein schlichter Holzbau. Dieser ist jedoch eine selten erhaltene Rarität, ein Überwinterungshaus für Feigen (Ficus carica), dessen Lüftungsklappen an der Stehwand über Zahnstangen seitlich verschiebbar sind.

Die Kamelien stehen wegen ihrer Größe, z.T. über 4 m hoch, im Orangerieteil. Auffallend sind ihre, durch lange Stämme und kleine Kronen hervorgerufenen, außergewöhnlichen Gestalten, die sicher mit ihrer Vorgeschichte zusammenhängen: Nach der Bombardierung Dresdens, in der Endzeit des II. Weltkrieges, soll sie ein Gärtner mit nach Karlsbad (Karlovi Vary) gebracht haben. Dem Vernehmen nach stammen sie aus dem Dresdner Botanischen Garten. In Karlsbad fanden sie in der Stadtgärtnerei eine neue Heimat.

Nach 1989 mußte diese aber einem Hotelneubau weichen. So kamen die Kamelien in die Pflege der Bäderparkaufsicht, wurden neben den Heilquellen aufgestellt und vermutlich auch mit mineralischem Quellwasser gegossen. Die Kamelien verloren ihre Blätter. Auf der Suche nach Rettung bat Frau Ing. Dana Petrlíková den Lissitzer Gärtner Evžen Kopecký um Hilfe. Die Pflanzen der dortigen Orangerie waren in der Nachkriegszeit verloren gegangen; es gab also noch etwas Platz.

Unter den geschickten Händen des Gärtners erholten sich die Pflanzen und sehen heute wieder prächtig aus. Zwei der sechs Pflanzen konnten der Sorte ‚Chandlers Elegans‘ (1831) zugeordnet werden, eine weitere ist ‚Lady Campbell‘ (1824). Drei Pflanzen sind noch nicht wieder eindeutig bestimmt. Das Alter wird auf etwa 100 Jahre geschätzt. Die Orangerie ist für das Publikum zugängig. Die Saison beginnt im April und endet im Oktober, montags ist das ganze Schloßensemble geschlossen.

www.zameklysice.cz

Kremsier (Kromeríž)

Der traditionellste und ursprünglichste Ort für Kamelien in Tschechien ist der Blumengarten von Kremsier. So wie wir es hier authentisch erleben, müssen wir uns Mitte des 19. Jahrhunderts die meisten Kameliensammlungen in Mitteleuropa vorstellen: Die Kamelien sind in Holzkübel gepflanzt, im Sommer im Freien aufgestellt und in der kalten Jahreszeit überwintern sie in einer Orangerie. Sicher waren die 41 Kamelienbäume von Kremsier von ihrer Jugend an hier an diesem wunderschönen Ort.

Dessen Geschichte ist aber bedeutend älter: Kremsier, das ist eine wunderbar restaurierte Altstadt, zwischen dem „Unteren Park“ mit dem erzbischöflichen Schloß und dem „Blumengarten“ gelegen. Das Gesamtensemble ist nicht nur nationales Kulturdenkmal, sondern zählt auch zum UNESCO-Weltkulturerbe. Talwärts liegt das imposante Erzbischöfliche Schloß. In den oberen Räumen können Bilder von Tizian, Cranach, Dürer, Breughel und vielen mehr in einer Gemäldegalerie bestaunt werden.

Diese gilt als zweitwichtigste Sammlung nach Prag und geht auf Bischof Karl II. von Lichtenstein-Castelcorn zurück. Die 1694 gegründete Bibliothek erlebt der heutige Leser in der Fassung von 1758 mit barockem Interieur und einer imposanten Deckenmalerei von J. Stern. Die Bestände umfassen 33.641 Bände, darunter 304 Handschriften, 180 Erstdrucke, 1178 Werke aus dem 16. Jahrhundert.

Auch für gärtnerisch Interessierte ist vieles dabei. Nach und nach werden die Bestände digitalisiert und somit zugängig gemacht. Vom Hauptgebäude aus im Keller, aber auf einer Ebene mit dem Park, öffnen sich große Fenstertüren zum Garten. Herrliche Gewölbe, Grottenarchitektur mit Erzbergwerk und lebensgroße Figuren bieten dem Betrachter prägende Bilder.

Treten wir nun in den 45 ha großen romantischen Landschaftspark hinaus. Durch den Fluß March mit Seitenarmen und Teichen durchzogen, wandelt der suchende Dendrologe über viele Brücken und verschlungene Pfade und findet allein 48 Nadelbaum- und 153 Laubbaumarten aus Südeuropa, Nordamerika und Ostasien. Neben Tempel, Kolonnade und anderen Kunstwerken wenden wir unsere Aufmerksamkeit dem Chinesischen Pavillon am wilden Teich, als Ausdruck der damaligen Chinamode, zu.

Wenn wir vom „Unteren Garten“ nun wieder Richtung Stadt nach oben gehen, können wir noch den Erzbischöflichen Weinkeller streifen. Immer tiefer, von einem Keller zu einem noch darunter liegenden, lagern hier riesige Fässer voller Messwein. Über den Markt und die sorgfältig restaurierte Altstadt kommen wir nun unserem Ziel, dem Blumengarten, und damit den Kamelien näher. Hinter der Stadtmauer ließ der bereits erwähnte Fürst und Bischof Karl II. von Lichtenstein-Castelcorn (1664-1695) nach dem Dreißigjährigen Krieg durch die Kaiserarchitekten Filiberto Lucchese und seinen Nachfolger Giovanni Pietro Tencalla einen 485 x 300 m bemessenen Lustgarten im Stil der Spätrenaissance erbauen.

Seitlich befindet sich eine 244 m lange Kolonnade mit 44 Statuen in Überlebensgröße. Vorsicht vor der besonderen Akustik! Selbst geflüsterte Worte hört man am anderen Ende des Bauwerkes noch deutlich. In der Mitte des Gartens steht eine achteckige Rotunde. Drinnen sind künstliche Grotten, Statuen und Fresken italienischer Meister. Von den vielen Höhepunkten im Garten seien hier nur ein runder und ein viereckiger Irrgarten, Teiche, Springbrunnen und mythologische Figuren erwähnt.

Bereits zur Zeit der Entstehung befanden sich im Garten Gebäude zur Kultivierung und auch zur Überwinterung wärmeliebender Kübelpflanzen. Bedeutend war die heute nicht mehr erhaltene große Orangerie aus dem 17. Jahrhundert mit ihrer demontierbaren Holzkonstruktion. Daneben gab es noch eine Reihe weiterer Anzuchthäuser, v.a. zur Kultivierung von Zitrus- und Ananaspflanzen, sowie Feigen.

Betritt man heute durch das Torhaus den Garten, bietet sich dem Besucher ein zwischen 1840-45 unter dem Architekten Anton Arche erbautes Ensemble. Rechts erstreckt sich die warme Orangerie, auch Palmenhaus genannt Dieses Pflanzenhaus ist ein recht zierlicher Bau mit auffälliger verglaster Dachlüftung und großen Fenstern (seine Länge beträgt 35 m, die Breite 8 m und die Höhe 10 m).

Linkerhand, mit 80 m mehr als doppelt so lang als das Palmenhaus und daher auch das Torhaus schneidend, steht das Große oder auch Kalthaus. Das 15 m breite Gebäude wird zur Überwinterung von Kübelpflanzen genutzt. Diese werden in den Sommermonaten auf dem zwischen den beiden Häusern liegenden Ehrenhof aufgestellt. Zu diesem Bestand gehören 41 Kamelien, in Holzkübel gepflanzt und teilweise beachtliche 4 – 5 m hoch.

Zu den bereits wieder bestimmten, gehören Sorten, wie Saccoi (1839), Lady Campbell (1824), Imbricata Rubra (1824), Anemoniflora (1808) und Incarnata (1806). Aus den angegebenen Zuchtjahren wird deutlich, dass die Sammlung sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts datieren läßt und damit zu den ältesten Europas gehört.

Den Gärtnern des Blumengartens sei für die tägliche Pflege gedankt. Als Schloßdirektor, wie auch heute noch im wohlverdienten Ruhestand hat sich Herr Ing. Jirí Cermák unermüdlich für die Kamelien eingesetzt und sie weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht.

www.zamek-kromeriz.cz

Reger Austausch

Alle vier mährischen Kamelienstandorte werden durch das staatliche Denkmalinstitut in Brünn verwaltet. Seit unserem ersten Besuch, gemeinsam mit dem Gartenmeister des Pillnitzer Schloßparkes Wolfgang Friebel im Jahre 2002, pflegen wir einen regen Austausch. Ein großer Teil der tschechischen Sorten wurden von uns vermehrt und wachsen nun auch in den Zuschendorfer Sammlungen. Das erleichtert die Sortenbestimmung und sichert zusätzlich das genetische Potential. Sofern es der Platz in den tschechischen Anlagen zuläßt, gilt das natürlich auch umgekehrt.

Fast überall wächst inzwischen ein Nachkomme der alten Pillnitzer Kamelie. Während sich die Geschichte der Sammlungen von Buchlowitz, Raitz und Lissitz mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Dresden verfolgen läßt, bleibt die der ältesten Pflanzen in Kremsier und Reichenbach im Dunkeln. Da es sich um Sortimente aus der Frühzeit der Kamelienkultur in Europa handelt, schränkt das die Herkunftsmöglichkeiten stark ein.

Die damals bekanntesten und auch auf Export orientierten Betriebe waren Jakob Friedrich Seidel in Dresden und der deutschstämmige Conrad Loddiges in Hackney, unweit von London. Letztendlich aber vermehrten beide Großgärtnereien die ursprünglich gleichen Pflanzen. Es waren die frühen Einfuhren, die englische Schiffe seit 1792 aus China mitbrachten.

Zuschendorf, im Januar 2011