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Einführung der Kamelie nach Europa

Die bisherige Einführungsgeschichte der Kamelie nach Europa nennt zwei wichtige Ereignisse: In England besaß Lord Petre 1739 eine weiße und eine rote Kamelie unbekannter Herkunft. Georg E. Edwards zeichnete 1747 einen Zweig der roten Kamelie mit Fasan.

Lord Petre starb früh und der Gärtner und Botaniker Philip Miller soll Nachkommen dieser Kamelien in den Handel eingeführt haben. Zum zweiten brachte 1792 Kapitän Connor auf seinem zur East India Company gehörenden Handelsschiff „Carnatic“ zwei gefüllte Sorten mit. Es waren die ‚Alba Plena‘ und die ‚Variegata‘.

Die Tatsachen

Hier soll nun vom dazwischen liegenden Zeitraum berichtet werden: Anfang Oktober 2010 erhielten unsere Botanischen Sammlungen Zuschendorf von einem ehemaligen Mitarbeiter, Herrn Dipl.Biologen Carsten Rohner, ein interessantes Kameliendokument. Herr Rohner digitalisiert für die Staats- und Universitätsbibliothek Dresden historische Schriften. Dabei stieß er auf einen Katalog von Joachim Conrad Loddiges von 1777. In diesem bietet er eine „Camellia Japonica flore Maximo Roseo“ an. Offensichtlich also eine Sorte. Im Übrigen wird im Katalog von 1783 der Name „Japanische Rose“ hinzugefügt. Der Katalog von 1783 befindet sich in der Bayrischen Staatsbibliothek. Dazu muss angemerkt werden, dass im Herbarium von J.G.Zuccarini in der Botanischen Staatssammlung München sich auch von Conrad Loddiges gelieferte australische Pflanzen befinden. Die Sorte findet man auch nicht im Internationalen Kamelienregister. Ob es nun eine gefüllte oder eine ungefüllte war, wissen wir nicht. Die Zukunft wird zeigen, in wieweit sich eine Beschreibung oder sogar ein Bild dieser Kamelie finden lässt.

Ein möglicher Weg zum Geheimnis der Pillnitzer Kamelie

Denkwürdig ist das Exlibris des Eigentümers auf dem Titel des Kataloges von 1777: Es ist das der Bibliotheca Electoralis publica, d.h. der Königlichen Bibliothek in Sachsen, der vormaligen kurfürstlichen. Auch wenn diese Einrichtung öffentlich war, schließt dies spekulativ zumindest die Möglichkeit ein, dass der sächsische Herrscher eine Kamelie bei Loddiges erwarb. Selbst wenn dieser den Katalog nicht gelesen haben sollte, hatten doch seine Hofgärtner Zugang.

Wir sprechen hier von Kurfürst Friedrich August von Sachsen (1750 bis 1827), seit 1806 König Friedrich August I., der auch der „Botaniker auf dem Thron“ genannt wurde. Schon als Kronprinz legte er 1769 einen eigenen Garten an. Seit 1778 war er mit der Schaffung des Englischen Gartens im Schlosspark Pillnitz befasst. Durch die Pflanzung vieler exotischer Gehölze, die damals zum großen Teil über England bezogen wurden, finden wir auch die Verbindung zu den dortigen Gärtnern Philip Miller, Johann Busch und Conrad Loddiges.

Katalog von Joachim Conrad Loddiges aus dem Jahr 1777 – Vermerk einer „Camellia Japonica flore Maximo Roseo“

Die Sortenbezeichnung im Katalog von Loddiges läßt Vermutungen zu: „Maximo“ läßt eine etwas größere Blüte als die Art Camellia japonica L. vermuten. Das ist bei der Pillnitzer Kamelie denkbar, auch wenn man dabei von einer entsprechend jüngeren Pflanze ausgehen muss. Auch „Roseo“ ist nicht auszuschließen, da die Pillnitzer Kamelie deutlich heller als die reine Art ist. Selbst bei der stecklingsvermehrten Nachkommenschaft sind manchmal recht helle Typen dabei.

Nicht zuletzt die Lehre Conrad Loddiges‘ in Hannover und sein Gärtnereistandort unweit von London könnten den Weg zeigen. Immerhin spricht man ja in Pillnitz von Schwesterkamelien in Hannover- Herrenhausen und in Kew Garden in England. Fritz Kümmel vom Botanischen Garten Halle versuchte mit einem Briefwechsel der Sache auf den Grund zu gehen. Nach Aiton’s Hortus Kewensis wird erstmalig 1789 eine Camellia japonica im Royal Botanic Garden Kew vermerkt.

Doch Vorsicht: Vieles wissen wir nicht. Der Sortenname gibt z.B. keine Auskunft über die Füllung der Blüte.
Spinnen wir den Faden weiter und suchen die Verbindung zur oben erwähnten Kamelie von Robert James Petre, dem 8. Lord Petre (1713-1742). Dieser, schon als Kind außerordentlich botanisch interessiert, besaß in Thorndon, Essex einen landschaftlichen Garten und Gewächshäuser mit sehr seltenen Raritäten, die manchen Botaniker zum Staunen brachten.

Darunter befand sich auch die vermutlich erste lebende Kamelienpflanze in Europa. Bruce Bartholomew schreibt darüber, dass es sich wahrscheinlich um ein Kultivar von Camellia japonica L. handelt, den Schiffskapitäne der Englischen Ostindien Company aus China mitbrachten. Nach dem frühen Tod des Lords übernahm der Gärtner und Botaniker Philip Miller (1691-1771) mit anderen Pflanzen auch die Kamelie.

Miller war ein langjähriger Freund des Lords und hatte ihn auch maßgeblich bei der Anlage seines Landschaftsgartens beraten. Dieser vermehrte nun die Kamelie und brachte sie in den Handel (Wie oben erwähnt hat das offensichtlich auch der Gärtner des Lords, James Gordon, getan.). Philip Miller war einer der bekanntesten Gärtner seiner Zeit. Er war seit 1721 bis kurz vor seinem Tode Vorsteher des Physik Garden in Chelsea, wo er viele, auch aus China stammende Pflanzen, kultivierte.

Als Einschub sei hier vermerkt, dass William Curtis, der ebenfalls im Chelsea Physik Garden arbeitete, in seinem 1788 erschienenen „Botanical Magazine“ eine Camellia japonica zeigt (Vol.II, plate 42). Schließt man ein, dass Edwards Darstellung etwas unrealistisch erscheint, könnte es sich doch um dieselbe Kamelie handeln.

Als Botaniker beschrieb er eine enorme Anzahl neuer Pflanzen. Auch wenn er lange Zeit die Nomenklatur von Carolus Linnaeus ablehnte, pflegte er doch mit ihm einen regen Briefwechsel. Als Autor des Gardener’s Dictionary (Erstauflage 1731) schuf er ein legendäres Standardwerk. Dieses wurde 1750/51 durch Georg Leonarth Huth ins Deutsche übersetzt und als „Das englische Gartenbuch“ herausgebracht. Damit schuf Miller für sich und andere den Einstieg in den deutschen Markt, schließlich unterhielt er neben seiner Tätigkeit im Chelsea Garden noch einen Pflanzenhandel.

Friedrich August von Veltheim auf Harbke schrieb nach der Lektüre des Buches 1755 an Miller und bestellte Pflanzen. Der Besteller war seinerzeit für seine Pflanzensammlungen in Harbke berühmt – auch Goethe war später dort- und er vermittelte Pflanzenkontakte in ganz Deutschland. Damit finden wir wieder den Weg zu Lord Petre’s Kamelie. Es ist nicht auszuschließen, wenn auch nicht sehr wahrscheinlich, dass sie schon durch Philip Miller nach Pillnitz gelangt sein könnte.

Allerdings ist dazu eine Anmerkung wichtig: Lord Petre’s Kamelien sollen aus China stammen und waren ursprünglich vermutlich gefüllt oder halbgefüllt. Damit kann es nicht die Mutterpflanze für die Pillnitzer Kamelie sein. Peter Collinson schrieb in einem 1740 verfaßten Brief an Hans Sloane, dass er bei Lord Petre eine gefüllte scharlachrote und eine ebenso gefüllte weiße Kamelie gesehen hat. Diese Edelreiser sollen abgestorben sein und der Gärtner des Lords, James Gordon, kultivierte die Unterlage weiter. Hier stellt sich nun die Frage, erhielt Philip Miller ein Edelreis der Sorten oder einen Nachkommen der Unterlage. Sollte es Letzterer gewesen sein, ist die Verbindung zu Pillnitz nicht ganz ausgeschlossen.

Eine weitere Möglichkeit bietet Johann Busch, der ganz bewusst in seinem Katalog von 1759 erwähnt, dass er die meisten von Miller in seinem „The Gardener’s Dictionary“ genannten Pflanzen und Bäume in seinem Sortiment führe. Da sich Busch und Miller kannten, ja sogar vermutet wird, dass Busch eine Lehrzeit bei Miller absolvierte, könnte er auch die Kamelie erhalten haben.

Genauso ist aber auch möglich, dass Busch die Pflanze direkt aus dem Nachlass von Lord Petre erwarb. Lord Petre war der wichtigste Sammler nordamerikanischer Gehölze seiner Zeit in England. Gemeinsam mit seinem Freund, dem schon oben genannten Peter Collinson, finanzierten sie in Philadelphia den Quäker und Sammler John Bartram. Dieser schickte regelmäßig Sendungen mit Samen, die Collinson an ausgewählte Kunden verteilte. Auch Johann Busch gehörte bald zu diesem Zirkel; später kaufte er auch direkt bei Bartram ein. Nach dem frühen Tod von Lord Petre standen 220.000 Pflanzen zum Verkauf, die Peter Collinson teilweise an Gärtner verteilte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Busch einen Teil der Sammlung als Grundstock für seinen Betrieb erworben, um Raritäten für den deutschen Markt produzieren zu können. Es könnte durchaus auch die Kamelie oder die Kamelienunterlage von Lord Petre dabei gewesen sein.

Als Dritter im Bunde schließt sich der Kreis nun wieder zu Conrad Loddiges. Als Nachfolger von Johann Busch könnte er die im Katalog von 1777 erwähnte Kamelie von diesem übernommen, aber auch direkt von Miller erhalten haben.

Genau dieser Katalog findet sich, wie oben erwähnt, im Besitz der Bibliothek des sächsischen Kurfürsten und Königs. Ein weiterer Hinweis ist eine Mitteilung von A. Siebert, der 1885 über die zwei Pillnitzer Pflanzen-Unica (Kamelie und Hortensie) schreibt. Er bezieht sich auf mündliche Überlieferungen des Hofgärtners Terschek, der den Lieferzeitraum auf 1775 bis 1785 einschränkt. Hier paßt Loddiges Katalog vortrefflich hinein.

Katalog von Joachim Konrad Loddiges aus dem Jahr 1783 – Vermek einer Camellia Japonica flore Maximo Roseo“ – Japanische Rose

Was ist nun zu tun, um etwas Licht in das Dunkel zu bringen? Mit viel Zeit und der Fähigkeit, alte Handschriften lesen zu können, müßte im sächsischen Staatsarchiv nach einer alten Rechnung gesucht werden, die von Miller, Busch, Loddiges oder einem bekannten deutschen Zwischenhändler ausgestellt wurde. Sinnvollerweise sollte man mit dem Jahr 1777, dem Jahr der Katalogveröffentlichung, beginnen.

Weiterhin lohnt sich natürlich auch die Suche in England. Nach E. Bretschneider liegt zum Beispiel im Britischen Museum das Herbarium von Philip Miller. Sensationell, wenn dort ein Beleg von Lord Petre’s Kamelie läge und dieser mit der Pillnitzer Kamelie verglichen werden könnte. Wichtig ist auch die weitere Suche nach frühen Katalogen und Pflanzenlisten, Briefwechsel etc. der genannten drei Gärtner.

Johannes Busch

Wer war nun eigentlich der oben schon mehrfach erwähnte Johannes Busch? Dieser könnte für die Einführung der Kamelie noch wichtiger gewesen sein als Conrad Loddiges. Beide haben in Hannover Gärtner gelernt und kannten sich vermutlich aus dieser Zeit. Johann Busch wurde um 1725 geboren. Sein genauer Geburtsort ist nicht bekannt. Allerdings gab es im Brandenburgischen die bekannten Gärtner Johann Wilhelm Busch und Johann Samuel Busch, so dass eine verwandtschaftliche Beziehung denkbar ist. In einer anderen Quelle wird er als gebürtiger Altmärker bezeichnet.

Seine Ausbildung erfolgte in Schnega bei Lüneburg und später folgte vermutlich eine weitere in Hannover-Herrenhausen. Von dort wird der begabte Gärtner 1743 nach Holland und dann weiter 1744 nach England geschickt. An dieser Stelle ist einzufügen, dass seit 1714 England von den Kurfürsten (seit 1814 König) von Hannover regiert wird. Zur Zeit Buschs ist Georg II. König von England (1683-1760). Er ging als Stifter der Universität Göttingen in die Geschichte ein. Seine Sommermonate, manchmal bis spät in den Herbst hinein, verbrachte er in Hannover. So ist es nicht verwunderlich, dass die neuen englischen Gartenideen zuerst dort Fuß fassten und es manchen Gärtner nach England zog.

Johannes Busch blieb auch nach 1744 in England und zog um 1750 nach Hackney, ein Dorf im Nordosten Londons, welches heute Stadtteil ist. Im Jahr 1758 gründete er einen Samen- und Pflanzenhandel. Seine Verbindung zu dem schon oben erwähnten Peter Collinson war dabei von zentraler Bedeutung. Durch ihn erhielt er Samen aus aller Welt. Neben der oben beschriebenen Verbindung zu John Bartram nach Nordamerika, kam Saatgut über St. Petersburg aus Sibirien oder über die Karawanenstraße von den Jesuiten aus China. Auch von dort konnten natürlich Kamelien kommen.

Auf Grund der begrenzten Keimfähigkeit ist aber Kameliensaatgut nahezu auszuschließen. Dokumente in englischen königlichen Archiven weisen Busch als Lieferanten seltener Pflanzen für den privaten Botanischen Garten der Prinzessin Augusta aus. Ihre Sammlungen wiederum waren die Basis für den Königlichen Botanischen Garten in Kew.

Im Jahre 1759 gab Johann Busch seinen ersten Katalog heraus. Dieser war bewusst zweisprachig abgefasst, weil Busch natürlich auf den Export nach Deutschland hoffte. 1764 wurde sein Katalog im „Leipziger Intelligenzblatt“ (Nr.55, S. 568-575) veröffentlicht und damit auch in Sachsen bekannt.

Allerdings enthielt er vor allem nordamerikanische Gehölze. Kamelien wurden nicht angeboten. Bei der neuen Kundschaft fällt vor allem der ehemalige sächsische Gesandte in London, Johann Georg Friedrich Graf Einsiedel zu Reibersdorf, auf. Er lebte von 1730 bis 1811 und war von 1763 bis 1766 sächsischer Kabinettsminister. In einem Briefwechsel mit seinem Bruder, dem Kammerherrn Carl von Einsiedel, schreibt er am 8.5.1764, daß er ihm ein Paket mit Samenkörnern von Bäumen aus Amerika schickt.

Weiter schreibt er: „Die Samenkörner der Bäume von Amerika sind ein Muster, welche man mir von England geschickt hat und die ich noch alle in meine Baumschulenbeete ausäen lassen werde. Im Winter werden die Pflanzen vor Kälte geschützt werden müssen. In ein paar Jahren werden sie verpflanzt….“. Im Jahre 1797 ist das Wolfstal bei Roßwein im Besitz des zweiten Sohnes des oben Genannten, Graf Heinrich von Einsiedel. Rund um das dortige Gut ließ er einen landschaftlichen Park mit wertvollen Bäumen anlegen.

Später gibt es dort eine Baumschule und Blumenzucht; ein Gewächshaus soll es bei Einsiedel auch schon gegeben haben. Im Jahr 1830 konnte zur Blütezeit der Kamelien eine Völkerwanderung nach dem Wolfstal beobachtet werden. Allerdings gehörte das Wolfstal nur noch bis 1831 der Familie von Einsiedel. Es ist aber anzunehmen, dass sie den Grundstein für die Kamelienkulturen legte, von denen heute noch eine Camellia japonica ‚Alba Plena‘ existiert. Es ist denkbar, dass diese heute die älteste gefülltblühende Kamelie nördlich der Alpen in Europa ist. Ihr Alter weiß man nicht, kann es aber eingrenzen.

Zum einen wurde die Sorte 1792 durch den oben erwähnten Kapitän Connor mit nach England gebracht. Zum anderen, als 1961 das Kamelienhaus erneuert wurde, überlebte von drei alten Exemplaren nur die ‚Alba Plena‘. Bei einer durch die Baumaßnahmen zerstörten Pflanze, die der Lehrer Kaufmann wesentlich jünger, als die heute noch lebende, schätzte, zählte er 100 Jahresringe. Wir wissen auch nicht, ob die Ringe im Kern zählbar waren. Seitdem sind weitere 50 Jahre vergangen. Das Alter wird heute zwischen 160 und 200 Jahren liegen. Allerdings ist auch anzumerken, dass die Wolfstaler Kamelie nicht zwingend aus England gekommen sein muss, da diese Sorte seit 1811 bereits vom kurfürstlichen Hofgärtner Johann Heinrich Seidel direkt in Dresden angeboten wurde.

Der Hinweis im Brief von Einsiedels auf die amerikanischen Gehölze, entspricht dem Angebot von Busch und schließt eine Lieferung einer Kamelie im Jahr 1764 aus. In einem Nebensatz sei erwähnt, dass der sächsische Kabinettsminister Detlev Graf von Einsiedel es war, der nach 1830 die nach Berlin verkaufte Hortensie von Carl Adolph Terscheck wieder nach Dresden zurückholte. Dabei handelt es sich um das sogenannte „Zweite Pflanzenunikum in Pillnitz neben der Kamelie“, die immerhin ein Alter von etwa 175 Jahren erreichte und vermutlich die erste Hortensie überhaupt in Sachsen war. Terscheck war langjähriger Hofgärtner in Pillnitz und pflanzte noch als Gärtnergeselle 1801 die Pillnitzer Kamelie in den freien Grund aus.

Nun aber zurück zu Johannes Busch nach England bzw. schweifen wir schon wieder ab in das Russische Zarenreich. Auch dort saß eine Deutsche auf dem Thron, Katharina II (1729-1796), eine geborene Prinzessin Sophie Frederike von Anhalt-Zerbst. Sie war zunächst die Gemahlin von Zar Peter III., stürzte ihn aber und gelangte 1762 selbst auf den Thron. Katharina II. hat sich sehr mit gärtnerischen Fragen, vor allem aber mit den Prinzipien der englischen und chinesischen Gartengestaltung, beschäftigt.

Daher suchte sie dringend einen englischen Gärtner. Dies ermöglichte Johann Busch bei seiner Bewerbung sich gut zu verkaufen. Er stellte einen 10-Punkte-Forderungskatalog auf und nachdem Einigkeit erzielt war, verließ er 1771 mit vielen seiner Pflanzen London in Richtung Russland. Zuvor aber musste er noch seine Gärtnerei in Hackney verkaufen. Da sie auf den Export nach Deutschland orientiert war, sollte es möglichst ein deutscher Nachfolger sein. So kam ihm Conrad Loddiges gerade recht, über den wir dann weiter unten berichten werden.

In Russland gestaltete er die Sommerresidenz der Zarin, Zarskoe Selo, von einem barocken in einen englischen Landschaftspark um. Die schon gut bestückte Orangerie entwickelte er weiter, so dass u.a. seine Orangen und Zitronen in bester Qualität große Bewunderung hervorriefen. Nun wird es wieder interessant für die Kamelienfreunde: James Meader, als Gärtner für den Peterhof zuständig, schrieb in seinem Tagebuch von 1782/83: dass sich Busch noch einen Namen machte, indem er als einer der ersten in Europa Teepflanzen (Camellia sinensis L.) kultivierte.

Da auch Conrad Loddiges Teepflanzen hatte und Carl von Linné schon 1763 mit Camellia sinensis L. experimentierte, wird vermutet, dass diese von Busch stammten und dass er sie bereits in London besaß. Ein direkter Bezug aus China ist zwar nicht ausgeschlossen, aber in dieser Zeit war es durchaus üblich, dass Ostasiatika über Holland und England bezogen wurden. Den Gärtner Johannes Busch und die Gärten liebende Zarin verband eine ungewöhnlich enge Beziehung und fruchtbare Zusammenarbeit. Katharina II. galt als Ideengeber und Busch war nicht nur der Ausführende sondern auch der Mitdenkende. Dazu dienten ausgedehnte morgendliche Spaziergänge durch den Garten.

Im Jahre 1778 wurde sein Sohn Joseph Busch in kaiserliche Dienste genommen und als Johann 1789 Rußland gen England verließ, wurde er sein Nachfolger. Im Mai 1795 verstarb dann Johannes Busch in seiner englischen Wahlheimat. Bedenkt man, daß Busch mit den Teepflanzen im Besitz von Kamelien war und daß Loddiges 1777 so viele japanische Kamelien hatte, dass er sie zum Verkauf anbot (Er mußte sie ja vorher vermehren und wenigstens 4 Jahre kultivieren), wäre es durchaus folgerichtig, daß er einige Pflanzen von seinem Vorgänger Johann Busch übernommen hatte.

Der Nachfolger in Hackney - Joachim Conrad Loddiges

Der Vater von Conrad, Caspar Burchard war Gärtner des Grafen Goertz in Wrisbergholzen bei Hildesheim. Nach einer Quelle war der Familienname damals noch Lochlies, welcher später in England in Loddiges umgewandelt wurde. Er schickte seinen 1738 geborenen Sohn zur Gärtnerausbildung nach Hannover. Dort bescheinigt der Obergärtner des Kurfürsten dem 19jährigen zum Lehrabschluß: „Treu, fleißig, ausdauernd und beharrlich, wie es sich für einen gottesfürchtigen Lehrling geziemt“.

Mit diesem Zeugnis ausgestattet, ging Conrad im Jahre 1758 zunächst für drei Jahre nach Holland. In Velzen bei Haarlem fand er eine Anstellung bei dem Naturforscher und Arzt John Baptist Sylvester. Als dieser 1761 zurück nach England reiste, ging Loddiges mit ihm nach Hackney. Dort gestaltete er Sylvesters Garten zu einem Paradies aus Bäumen, Blumen und Büschen, mit Springbrunnen, Grotten, Gewächshäusern und Obstgarten. Später 1771 konnte er dann die Gärtnerei von Johann Busch kaufen, da dieser, wie oben erwähnt, nach Russland ging.

Unter Loddiges geschickter und intelligenter Führung expandierte der Betrieb; nach eigenen Aussagen hatte er schon 1781 100.000 Töpfe zu gießen. Daher zog er 1787 in ein größeres Grundstück um. 1776 gab er seinen ersten Katalog heraus. Das zum großen Teil von Busch übernommene Sortiment nordamerikanischer Gehölze erweiterte er um Exoten, vor allem Palmen und Orchideen. Nach 1800 galt seine Gärtnerei mit ihren umfangreichen Gewächshäusern als die größte der Welt. Gleiches galt für sein Arboretum und auch für sein Warmhaus für Palmen und sein Kamelienhaus. Im Inneren des Palmenhauses gab es eine umlaufender Balustrade und Sprühnebelbewässerung für tropische Pflanzen. Dazu besaß er noch weitere 20 Glashäuser zwischen 150 und 300 Fuß (45,7 – 91,4 m) Länge. Diese waren so angeordnet, dass ein Rundgang möglich war.

Nun wird es auch wieder für die Kamelienfreunde interessant: Im März 1822 erhielt Loddiges Besuch von Apotheker William Allan, seiner Cousine Emily Birkbeck und Anna Hanbury: „Wir gingen zu Loddiges Baumschule, um die Kamelien zu sehen, welche in voller Blüte und sehr schön waren. Es gibt einen ganzen Wald von ihnen. Seine Warmhäuser sind vielleicht die ungewöhnlichsten der Welt; eins von ihnen ist 40 Fuß hoch mit einer Bananenstaude, die fast bis zum Dach reicht.“

Einige Jahre später, 1829, berichtete Jacob Rinz aus Frankfurt am Main:“Nie werde ich den sensationellen Bau vergessen. Man kann die Begeisterung beim Anblick dieses immensen Palmenhauses nicht beschreiben! Nichts vorher Gesehenes lässt sich damit vergleichen. In Gedanken versetzte ich mich gerade in dem Moment nach Brasilien, als Mr. Loddiges in meiner Anwesenheit einen Schauer künstlichen Regens produzierte.“

Rinz zeigte sich über den Umfang der Kalt- und Warmhäuser überrascht, besonders über das schöne gebogene Kamelienhaus, in dem die Pflanzen mit dem größten Erfolg produziert wurden. Die ganze Sammlung, so meinte er, sehe perfekt kultiviert aus. Die Verbindung zwischen Rinz und Loddiges ist sehr interessant, war ersterer doch einer der wenigenden erfolgreichen Kamelienzüchter Deutschlands, dessen Sorte ‚Francofurtensis‘ noch heute für uns von Bedeutung ist.

Zeichnung von Loddiges Schauhaus für Palmen und Kamelien, zu seiner Zeit das größte Gewächshaus der Welt

Loddiges Kamelienhaus greift die Erfindung von John Loudon, eine eisengerahmte, gebogene Glashülle, auf. Loudon übergab seine Planung an die Firma Baily und Co., die das Haus 1819 – 22 errichtete. Es war 120 Fuß (36,6 m) lang, 23 Fuß (7 m) breit und 18 Fuß (5,5 m) hoch. Das Haus hatte die Form eines Viertelkreises, welcher an eine Mauer grenzt. Es gab verschiebbare kupferne Dachfenster, gefertigt von der Firma Trimmins aus Birmingham. Das Haus war mit einer damals noch seltenen Dampfheizung ausgestattet, die zentral auch für das Palmenhaus betrieben wurde.

Im Jahre 1824 baute die Firma Baily und Co. auf der anderen Seite der Mauer ein zweites Haus. 1833 wird berichtet, dass die Kamelien zu einem so vollständigen Wald zusammengewachsen sind, dass auch Amseln wiederholt dort ihre Nester gebaut und ihre Jungen aufgezogen haben. Ein Kamelienhaus von gut 250 qm würde heute eher zu den kleinen gehören. Allein in den Botanischen Sammlungen Zuschendorf nehmen die Kamelien über 1500 qm unter Glas ein. Damals jedoch war das riesig und galt als Sensation.

Neben seinen Katalogen gab Loddiges weitere Schriften heraus. Im Jahre 1816 schrieb er über die Heizung in Gewächshäusern. Auf Grund des großen Interesses an den neuen Farnen, Bäumen, Palmen etc. gaben Loddiges und Geschäftsfreunde eine Buchserie mit colorierten Zeichnungen der neuen Arten und Sorten heraus. Unter dem Titel „The Botanical Cabinet“ entstanden zwischen 1817 und 1833 2000 Blätter in 20 Bänden. Sein Sohn Georg zeichnete die Pflanzen, seine Tochter Jane und Edward Cooke, später ein führender Victorianischer Künstler, stachen sie in Kupfer. Auch Kamelien waren dabei.

Genannt seien hier die frühen Sorten von C. japonica L: ‚Atrorubens‘, ‚Incarnata‘, ‚Alba Plena‘, ‚Rubra Plena‘ und ‚Myrtifolia‘. In Loudens „Gardener’s Magazine“ von 1826 war zu lesen, dass Loddiges Bestände die des Königlichen Gartens in Kew übertrafen. Zwischen 1782 und 1846 hat die Firma 151 neue Pflanzen eingeführt.

Joachim Conrad Loddiges starb 1826. Ihm zu Ehren wurde eine Straße in Hackney benannt. Auch nannte Sims eine Pflanze nach seinem Namen. Loddigesia oxalidifolia (Papilionaceae). Nicht zuletzt trägt eine, vermutlich nicht mehr existierende, Kamelie seinen Namen. Es ist die im Berlese’s „Iconographie du genre Camellia“ abgebildete, gefüllt rosa blühende Sorte ‚Spetabilis de Loddiges‘.

Für die Rhododendronfreunde sei erwähnt, dass auch die Einführung von Rh. ponticum L. auf Loddiges zurückgeht. Er holte 1763 einige Jungpflanzen aus dem spanischen Cadiz. Damals hochbegehrt, gilt die Pflanze wegen ihrer massiven Ausbreitung heute in Schottland als „Staatsfeind Nr.1“.

Seine Söhne Georg und William führten die Firma weiter; der Enkel Conrad (Junior) führte die Gärtnerei in den Ruin (nach anderen Quellen lag es an den hohen Pachten, da das Land Bauland wurde). 1860 schloß die traditionsreiche Firma Conrad Loddiges & Söhne. Die Palmensammlung kam in den Crystal Palace. Einige Bestände übernahm der Kew Garden und weitere wurden versteigert. In der Jahrhundertmitte wurde Loddiges von Veitch als bedeutendste englische Baumschule abgelöst.

Johann Andreas Graefer - der dritte 'Deutsch-Engländer' unter den Gärtnern

Johann Andreas Graefer wurde 1746 in Helmstedt geboren. Im dortigen Botanischen Garten wurde er zum Gärtner ausgebildet. Später ging er nach England, wo er Schüler bei Johannes Busch wurde. In den Jahren 1776/77 wurde Graefer Teilhaber des Gartenhandels „James Garden & Co“.

Dabei handelt es sich um die Söhne des ehemaligen Gärtners von Lord Petre. Später finden wir ihn bei James Vere, ein wohlhabender Kaufmann in Kensington, südlich des königlichen Gartens, ansässig. Dort machte sich Graefer vor allem mit der Einfuhr japanischer Pflanzen einen Namen. So empfahl ihn Sir Joseph Banks nach Neapel, wo er ab 1786 im Auftrag der Königin Maria Carolina, geborene Prinzessin von Österreich, einen englischen Landschaftsgarten nahe der Residenz Caserta anlegen sollte.

Bei der Ausführung entschied man sich, einen landschaftlichen und einen botanischen Gartenteil zu schaffen. William Aiton aus Kew (nach ihm wurde die einfache rote Kamelie ‚Aitonia‘ benannt) interessierte sich sehr für die Arbeit Graefers in Caserta, da man dort fremdländische Bäume und Sträucher zum ersten Mal im Freien anzuziehen vermochte, die in nördlichen Breiten nur im Gewächshaus kultiviert wurden.

Da liegt der Gedanke nahe, dass Graefer die Kamelie mit nach Caserta brachte. Falls wir wieder etwas spekulieren dürfen, könnte dann diese Kamelie durch die Bekanntschaft zwischen Graefer und Busch, auch von diesem oder von Loddiges, aber natürlich auch von James Gordon, stammen. Dann könnten die Pflanzen von Pillnitz und Caserta wirklich Schwestern sein. Das bedeutet ja nicht, dass sie genetisch vollkommen gleich sein müssten, da wir die Vermehrungsmethoden der damaligen Gärtner nicht kennen. Aussaat ist durchaus auch denkbar. Es war zumindest im 19. Jahrhundert nicht unüblich, in England Säcke mit Samen zu besorgen, diese auszusäen und dann neue Sorten auszulesen. So wurde ja z.B. in Belgien die ‚Collettii‘ gefunden.

Schlussgedanken

Die Entdeckung einer Kameliensorte Camellia japonica flore Maximo Roseo in einem Katalog von Conrad Loddiges im Jahre 1777, die bislang im Internationalen Kamelienregister nicht erwähnt wurde, ist als solche schon genügend interessant. So mag mancher die sich anschließenden Spekulationen als unnötig und nur als wieder eine neue, nicht bewiesene Theorie abtun. Andererseits sind die aufgezeigten Verbindungen durchaus schlüssig. Sie könnten ein Gerüst sein, mit Hilfe dessen man nun, mit nicht wenig Zeitaufwand, die Bestätigungen suchen könnte.

Auch wenn nicht der ganze Weg, von Lord Petre bis hin zur Pillnitzer oder Casertaer Kamelie gangbar wäre, auch ein belegtes Teilstück ist durchaus ein Erfolg. Ergänzend soll noch auf eine Camellia japonica L. hingewiesen werden, die beim kurfürstlichen Hofgärtner Johann Heinrich Seidel 1792 blühte. Auch diese könnte natürlich sowohl ein englischer Import, wie auch im Zusammenhang mit der Pillnitzer Kamelie, stehen.

Der Leser sollte diese Schrift, als Aufforderung zur Mitarbeit verstehen. Viele Beiträge könnten vielleicht irgendwann die zahlreichen Splitter zu einem Ganzen fügen.

Pirna – Zuschendorf im November 2010

Marion und Matthias Riedel
Botanische Sammlungen der TU Dresden
Landschloß Pirna – Zuschendorf
Am Landschloss 6
01796 Pirna

Literatur - Auswahl:
  • Bretschneider, E. (1898): History of European Botanical Discoveries in China, Reprint Leipzig, 1981.
  • Busch, Johann (1764): Pflanzenkatalog im Leipziger Intelligenzblatt S.568-575, Nr. 55, Leipzig, 1764.
  • Einsiedel, Johann Georg Friedrich von (1764 und 1795): Briefe vom 08.05.1764 und 21.02.1795, Sächsisches Hauptstaatsarchiv: Familiennachlass Einsiedel, Dresden.
  • Heimatverein Rosswein (2010): Informationen zur Familie von Einsiedel, Mitteilungen per Fax.
  • Köhler, Marcus (2003): Die Entstehungsgeschichte des Landschaftsgartens in Deutschland und Russland Der Gärtner Johann Busch als Mentor eines neuen Stils, Dissertation an der Hochschule Neubrandenburg, Berlin.
  • Kümmel, Fritz (1983): Zur Geschichte der zwei ältesten Kamelien in der DDR. Beiträge zur Gehölzkunde 1983: 84-92, Berlin.
  • Loddiges, Conrad (1777 und1783): Verzeichnis von Pflanzen und Samen, London, Kataloge von 1777 und 1783.
  • Loddiges, Conrad (1817-1833): The Botanical Cabinet, London.
  • J.C.Loudon (1824): Encyclopedia of Gardening. Seite 910, London.
  • Miller, Phillip (1750/51): Das englische Gartenbuch herausgegeben von Georg Leonardt Huth, Nürnberg.
  • Short, Herb (2005): Die Wahrheit über Lord Peters Kamelien. International Camellia Journal 2005: 56-59.
  • Siebert, A. (1885): Der Pillnitzer Schlossgarten und seine zwei Pflanzen.Unica, Gartenzeitung.
  • Solman, David (1995): Loddiges of Hackney – the largest hothouse in the world, London