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Georgius Josephus Camel

I. Tschechisch – Deutsche Kamelienblütenschau

350. Geburtstag von Georgius Josephus Camel

Georgius Josephus Camel
Nach ihm nannte man die schönste Blume der Welt – die Kamelie. Kannte er sie?

Brünner Jesuitenkolleg Folpert van Ouden-Allen (1635-1715), Brünn (Brno) von Südosten, Bilddetail, Öl auf Leinwand, 1690, Museum der Stadt Brünn

Der Eintrag über Georgius Camels Geburt findet sich im Geburtsregister der Jakobskirche in Brünn (Brno). Der Knabe wurde am 21. April 1661 in der Familie des Scherermeisters Andres Kemmel und seiner Frau Rosina geboren.

Im Register wird er als Kemmel angeführt, aber später finden sich auch folgende Varianten: Kammel, Camel, Camell, Camellius, Kameel, Käml, Kaml und Kamal. Er selbst latinisierte seinen Namen als Georgius Josepho Camelus. Da sind die verschiedenen Schreibweisen für die nach ihm benannte Blume nicht verwunderlich: Kamelie, Camelie, Camellia, Camelia.

Camel als Novize

Ab 1672 besuchte Camel das Klostergymnasium in Brünn. Aufgrund seines Interesses an Heilpflanzen wurde er Assistent von P. Wolfgang Naupps, des dortigen Apothekers. Sein Noviziat bei der Gesellschaft Jesu (Societas Jesu) begann Camel am 12. November 1682 als Apotheker und Pfleger.

Freske, mit Blick auf Neuhaus (Jindrichuv Hradec), gehört zum Interieur der Kapelle zur heiligen Maria Magdalena, welche früher Teil des Jesuitenkollegs war, 16. Jhd.

Apotheker gehörten zu den Laien, die für das Funktionieren der Häuser des Ordens verantwortlich waren, ebenso wie z. B. Pförtner, Köche und Maler. Aus diesem Grund blieben die meisten Laienbrüder im Unterschied zu den Geistlichen der Gesellschaft Jesu längere Zeit an einem Ort und mussten nicht von einem Haus ins nächste ziehen. Der Apotheker übte oft auch die Tätigkeit eines Arztes aus und nur bei ernsten Fällen wurde ein Arzt von außerhalb herangezogen.

Das Ziel von Camels Pilgerprüfungen war im Jahre 1684 das österreichische Krems an der Donau. Nach Beendigung des Noviziats wurde ihm als erster Wirkungsort das Jesuitenkolleg Mariä Himmelfahrt, das zur Dreifaltigkeitskirche in Neuhaus (Jindrichuv Hradec) gehörte, zugeteilt, von wo aus er im Januar 1686 zum Dienst im St.-Veits- Kolleg in Krummau (Ceský Krumlov) abberufen wurde.

Missionsreise in die Philippinen

Ganz erstaunlich ist, dass die Einrichtung der Jesuitenapotheke aus Böhmisch Krummau bis heute erhalten blieb. Als der Orden sich 1773 zurückzog, kaufte der Fürst Josef Adam von Schwarzenberg die Ausstattung für 3000 Gulden. Ursprünglich sollte eine herrschaftliche Apotheke etabliert werden, doch dann bewahrte man die Teile in der „Romanischen Kammer“, einer Sammlung von Kuriositäten, auf dem Schloss auf.

Interieur der ursprünglichen Jesuitenapotheke in Böhmisch Krummau (Ceský Krumlov), in der J. G. Camel in den 80er Jahren des 17. Jhds. arbeitete

Eigenhändig geschriebenes Ordensgelübte G.J. Camels in Manila am 15. August 1696

Am 25. April 1687 ging Camel dann von Südböhmen aus auf seine überseeische Missionsreise in die spanischen Provinzen. Ob er verpflichtet wurde oder sich freiwillig bewarb, ist nicht eindeutig belegt. Der Weg führte über Italien, Spanien und Mexico nach den Philippinen. Manila auf der Insel Luzon, von den Spaniern 1571 als Hauptstadt und Umschlagplatz chinesischer Waren gegründet, erreichte er nach über zwei Jahren am 06.August 1689.

Gleich nach seiner Ankunft machte sich J.G. Camel an seine Arbeit im St.-Ignatius-Kolleg des Jesuitenordens. Er gründete hier die erste ständige Apotheke, in der er neben europäischen Heilmitteln auch heimische Drogen verwendete. Zu Studienzwecken begab er sich auf Exkursionen über die philippinischen Inseln. Wahrscheinlich im Jahre 1698 gründete er einen Garten, in dem er seine botanisch-pharmakologischen Beobachtungen durchführen konnte. Da er Bedürftige ohne Honorar behandelte und als Arzt einen sehr guten Ruf genoss, schaffte dies Vertrauen zu den Einheimischen. Damit unterstützten ihn diese bei der Suche nach Pflanzen und Heilkräutern.

Untersuchung einheimischer Pflanzen

Karte von Südostasien aus dem Jahre 1627. Repro: Cortesao, A. _mota, A. Teixeira da: Portugaliae monumenta cartographica. Vil. V., Lisbon

Obwohl Camel keine botanische Ausbildung hatte, beschäftigte er sich auch mit der systematischen Klassifikation von Pflanzen; er unterteilte alle bis dahin bekannten Pflanzen in drei Klassen, und zwar nach dem Habitus in Kräuter (Plantae humiles), Gehölze (Abores et Frutices) und Lianen (Plantae Scandentes). Die Klassen unterteilte er dann noch einmal in Familien. In den meisten Fällen verwendete Camel bei der Beschreibung von Pflanzen die einheimischen Bezeichnungen. Wenn diese nicht existierten, versah er sie mit der Artbezeichnung Luzonis (Luzon – die größte der philippinischen Inseln).

Bohnen des hl. Ignatius Kopie von Camels Zeichnung (undatiert), Sammlung Jesuitica, Maurits Sabbe Library, Katholieke Universiteit Leuven, Belgien

Camel beschrieb als Erster den Lianenstrauch Strychnos Ignatii (Ignatiusbohne), der die Alkaloide Brucin und Strychnin enthält, welches die französischen Chemiker P.J. Pelletier (1788-1842) und J.B. Caventou (1795-1877) im Jahr 1818 isolierten. Die meisten Alkaloide sind in den Samen enthalten (Fabae Sancti Ignatii), deren erhöhter Konsum zu schmerzhaften Krämpfen und sogar zum Atemstillstand führen kann. Demgegenüber stimuliert eine kleine Menge des Stoffes das zentrale Nervensystem und wirkt wie das südamerikanische Kokain. Auf den Philippinen wurden die Bohnen des heiligen Ignatius als Gegengift nach Schlangenbissen verwendet. Camel zeichnete die Pflanzen und legte auch umfangreiche Herbare an. Nicht zuletzt beschäftigte er sich auch mit zoologischen Fragen.

Wenden wir uns der Frage zu, ob Camel die nach ihm benannten Kamelien, so wie oft behauptet, wirklich nicht kannte. Dabei muss beachtet werden, dass die Gattung auch viele zur Teegewinnung geeignete Arten einschließt. Die wichtigste darunter ist Camellia sinensis (L.)Kuntze, uns als schwarzer oder grüner Tee bekannt.

„Tchia“ – Teepflanze, Kopie von Camels Zeichnung (undatiert), Sammlung Jesuitica, Maurts Sabbe Library, Katholieke Universiteit Leuven, Belgien

Die Kamelie zählt nicht zur einheimischen Flora auf den Philippinen. In einer Sammlung von Camels Zeichnungen im belgischen Leuven findet sich aber eine Skizze mit der Bildunterschrift „Tchia“, die mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Teepflanze darstellt. Denkbar ist, dass auf Luzon lebende Chinesen die Pflanze dorthin mitbrachten. Camel wird die Heilwirkung des Tees sicher nicht verborgen geblieben sein.

George Meister bringt die Nachricht von der Kamelie nach Europa

Deshima, vor Nagasaki eschaffene künstliche Insel, von der aus die Holländische Ostindische Kompagnie Handel mit Japan treiben durfte, 1669

Im gleichen Jahr, als Camel in Manila ankam, hatte der thüringisch-sächsische Gärtner George Meister gerade seine 11-jährige Reise nach Ostasien beendet und begann in Dresden eine Tätigkeit als churfürstlicher orientalischer Lustgärtner. Meister kam mit der Holländischen-Ostindischen Kompagnie 1677 nach Batavia (heute Djakarta) und legte dort für den hessischen Arzt und Justizrat Andreas Cleyer einen großen Garten mit Baumschule an.

Georg Meister: Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner, Dresden 1692, Titel

Als Leiter holländischer Handelsflotten reiste Cleyer in Begleitung Meisters 1682-1684 und 1685-1687 nach Japan. George Meister sammelte dort Pflanzen und Samen. Als er 1687 von Batavia gen Amsterdam in See stach, hatte er die enorme Menge Saatgut von 500 verschiedenen Gewächsen, dazu lebende Pflanzen und umfangreiches Herbarmaterial im Gepäck. Seine Erlebnisse als Gärtner, verbunden mit der Beschreibung der kennengelernten Pflanzen, veröffentlichte er 1692 in Dresden in seinem Buch „Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner“.

In seinem Abschnitt „Japponnische Baum-Schule“ beschreibt er, erstmalig für Europa, Kamelien: „Abor Zuwacky oder Sasanqua auf Chinesisch“. Erster Teil des Titels ist die japanische Bezeichnung der Pflanze. Weiter hinten folgt dann die Erklärung des Tees unter „Von Herba Thee oder auf japponnisch Tzshe noky“. Dass beide zur gleichen Gattung gehören, wußte Meister noch nicht. Er beschreibt aber nicht nur die Pflanze selbst, sondern auch die Verarbeitung und Zubereitung des Tees. Ebenso erwähnt er die Heilwirkung. Er verweist auch darauf, dass das Getränk nicht nur in Japan, sondern vor allem auch in China reichlich getrunken wird. Selbst in Batavia gäbe es Tee-Häuser. Für seinen Dienstherrn Andreas Cleyer nahm Meister „Thee-Bäumgen“ (Teepflanzen) mit nach Holland. Vermutlich war man sich der Bedeutung dieser Pflanze aus der Gattung der Kamelien wohl bewusst.

Botanische Korrespondenzen

Batavia (heute Djakarta), Handelsplatz der Holländischen-Ostindischen Kompagnie, 1669

Ob G. J. Camel von den botanisch-gärtnerischen Ergebnissen aus Meisters Reise erfahren hat, wissen wir zwar nicht. Jedoch führte er einen Briefwechsel mit dem holländischen Arzt und Botaniker Willem ten Rhijne. Dieser war 1674 bis 1676, also vor Meister, in Japan. Da er aber bis zu seinem Tode im Jahre 1700 in Batavia blieb und gut bekannt mit Meisters Dienstherrn Andreas Cleyer war, ist es wohl sehr wahrscheinlich, dass ten Rijne und Meister sich kannten. Dies zumal Willem ten Rhijne sich intensiv mit Tee beschäftigte.

Jacob Breyne: Exoticarum aliarumque minus cognitarum plantarum centuria prima, 1878, Titel, Der anziger Kaufmann und Botaniker erhielt dafür u.a. Material von Willem ten Rhijne und Andreas Cleyer

Er veröffentlichte das Werk „Experta ex observationibus suis Japonicis Physicis& c. de Fructice Thee“. Auch sendete er Material zum japanischen Tee an den Danziger Kaufmann Jacob Breyne, selbiger, der auch von Meister und Cleyer Pflanzen erhielt und veröffentlichte. Eine weitere denkbare Möglichkeit, Wissen über diese Pflanze erlangt zu haben, sind Camels Kontakte nach England: Er schrieb sich mit dem Arzt der Ostindien-Kompanie in Madras (Westküste Indiens), Botaniker, Pflanzen- und Tiersammler Samuel Brown und mit Edward Bulkleym (1681-1714), Mitglieder der Royal Society for the Improvement of Natural Knowledge (Royal Society), durch die er wahrscheinlich aufgefordert wurde, seine Beobachtungen nach England zu senden.

Camels Londoner Adressaten waren der Botaniker John Ray (1627-1705), späterer Vorsitzender der Royal Society, und sein Kollege, der Apotheker James Petiver (1658-1718). Interessant ist durchaus, dass für einen katholischen Jesuiten wie Camel ein wissenschaftlicher Austausch über Glaubensgrenzen hinweg, mit Holländern und Engländern möglich war. Anfänglich schickte Camel nur schriftliche Beschreibungen der neu entdeckten Pflanzen und Tiere, aber bald fügte er auch seine Zeichnungen und später auch Muster, einschließlich Herbare, bei.

Camel war nicht der Erste, der sich mit der Flora der Philippinen beschäftigte, aber im Unterschied zu seinen Vorgängern sind Camels Arbeiten zumindest zum Teil erhalten geblieben. Der Austausch von Korrespondenz zwischen den Philippinen und Europa dauerte meist länger als drei Jahre. Das Risiko Schiffbruch zu erleiden oder von Piraten überfallen zu werden war sehr groß, so dass manche Sendung auch gar nicht zugestellt wurde. Auch ein Teil von Camels philippinischem Herbar wurde 1698 von chinesischen Seeräubern aus einem gekaperten Schiff ins Meer geworfen.

Camels Zeichnungen wurden von John Ray im „Appendix“ des dritten Bands seiner „Historia Plantarum“ (London 1704) veröffentlicht (die Zeichnungen zum ersten Teil hatte Camel an Ray geschickt, die zum zweiten Teil an Petiver). Weiterhin gab J. Petiver eine Auswahl von Camels Zeichnungen gemeinsam mit denen anderer Forscher heraus. So entstand „Gazophylacei naturae et artis“ (London, 1702-1709), ein exotischer Atlas von Kuriositäten, der neben Blumen auch Insekten, Weichtiere und Wirbeltiere zeigt. Später wurde diese Arbeit auch in Petivers Werk „Opera historiam naturalem spectantia“ (London, 1767) abgedruckt. Hendrik van Reede (1637-1691) verwendete einige von Camels Zeichnungen in seinem „Hortus Indicus Malabaricus“ (Amsterdam, 1683-1703).

Camel und die Kamelie

James Petiver: Gazophylacei naturae et artis (London, 1701-1709), Kameliendarstellung von 1702. Im selben Werk veröffentlichte er auch Zeichnungen von J.G. Camel

Wichtig zur Erforschung der Kamelie ist für uns der genannte James Petiver. Dieser bildete bereits 1702 in „Gazophylacei naturae et artis“, also demselben Werk, in dem auch Camels Zeichnungen erschienen, eine Kamelie ab. Diese Zeichnung entstand auf der Grundlage von Herbarmaterial, welches Dr. James Cunninghame in China sammelte. Laut Klaus Peper hat der Amerikaner Harold Hume das Material, welches heute noch im Britischen Museum liegt, untersucht. Er stellte fest, dass es sich nicht, wie von Petiver angenommen, um Tee, sondern vielmehr um eine Komposition von drei Camellia japonica L. handelt.

Carl von Linné: Species Plantarum, 1753, Benennung der Camellia nach J.G. Camel

Es gab also so viele Möglichkeiten, dass es doch recht wahrscheinlich war, dass Georgius Josephus Camel, die Pflanze kannte, die seinen Namen so berühmt machen sollte. Letzteres geschah aber erst nach seiner Lebenszeit. Der schwedische Botaniker Carl von Linné (1707-1778) schuf die heute allgemeingültige Nomenklatur der Pflanzen. Fast eineinhalbes Jahrhundert nach Camels Tod, im Jahre 1753, veröffentlichte Linné sein Werk „Species Plantarum“ in das er auch die Gattungen Camellia japonica und Thea sinensis aufnahm. Im Jahre 1887 korrigierte dies der Botaniker Kuntze und ordnete auch den Tee der Kamelie, als Camellia sinensis (L.) Kuntze zu.

Grundlage für Linné’s Benennung war die Arbeit von Engelbert Kaempfer (1651-1716). Kaempfer war der deutsche Arzt und Botaniker, der ebenfalls im Dienste der Niederländischen Ostindischen Kompanie nach George Meister, im Jahre 1690 Japan besuchte und Kamelien beschrieb. Dies tat er in seinem Buch „Amoenitates exoticae“ im Jahre 1712, wobei er ebenfalls noch zwischen der Teepflanze und der Zierpflanze unter der japanischen Bezeichnung Tsubaki unterschied.

Tod und Vermächtnis

Camel starb am 2. Mai 1706 in Manila an den Folgen einer Darmerkrankung (Amöbenruhr) im Alter von nur 45 Jahren. Sein Herbarium befindet sich heute in der botanischen Abteilung des „The Natural History Museum“ des Britischen Museums, im sogenannten. „Sloane-Herbarium“ in London.

Seine Zeichnungen werden heute an folgenden drei Orten aufbewahrt: in The British Library und The British Museum (bzw. The Natural History Museum) in London sowie der Katholieke Universiteit in Leuven und wahrscheinlich auch im L’Institut de France in Paris.

Dieser Text wurde zum 350. Geburtstag von Georgius Josephus Camel im Jahre 2011, anlässlich der ersten Tschechisch-Deutschen- Kamelienblütenschau in den Botanischen Sammlungen – Landschloss Pirna Zuschendorf, geschrieben.

Literaturverzeichnis - Auswahl
  • Breyne, Jacob: Exoticarum aliarumque minus cognitarum plantarum centuria prima, Danzig, 1678,
  • Gicklhorn, J. Und R.: Georg Joseph Kamel S. J. (1661-1706), Apotheker, Botaniker, Arzt und Naturforscher der Philippineninseln. Eutin, 1954.
  • Kaempfer, Engelbert: Amoenitates exoticae,Lemgo, 1712
  • Linné, Carl von: Species Platarum, 1753.
  • Meister, Meister: Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner, Dresden, 1692.
  • Peper, Klaus: Georg Joseph Kamel: Apothecarius, medicus, botanicus, Homburg, 1997.
  • Petiver, James: Gazophylacei naturae et artis, London, 1702-1709
  • Ray, John: Historia Plantarum, London, 1704, Appendix.
  • Syslova, Veronica, Dvorakova, Eva u.a.: Georgius Josephus Camel, Brno, 2006