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200 Jahre Hortensien in Sachsen

Die Hortensie – ein Puzzle fügt sich zusammen. Der abenteuerliche Weg einer Blume vom fernen China bis nach Sachsen

Schaut man in die Fachliteratur, wird für die Einführung der Hortensie nach Europa das Jahr 1788 genannt. Damals soll die Pflanze durch den englischen Pflanzenjäger Sir Joseph Banks von Japan nach England gebracht worden und im berühmten ‚Kew Garden‘ bei London im rosa Farbton geblüht haben.

Fragt man nach der Namengebung, so stößt man des öfteren auf Hortense Beaukarnais oder besser gesagt auf Königin Hortense von Holland. Sie war die Stieftochter Napoleons des I. und Mutter Napoleons des III. Scheint die Namengebung doch logisch, da ihre Mutter, die Kaiserin Josephine, als fanatische Pflanzensammlerin europaweit bekannt war.

Auch war die Hortensie in ihrer Lebenszeit eine wichtige Modeblume. Nur widerlegt sich diese Vermutung selbst, da Commerson die Hortensie schon vor ihrer Geburt (1785) benannte. Doch wir wollen hier eine ganz andere Geschichte erzählen, denn die Vermutung liegt nahe, daß die Hortensie bevor sie nach England kam, bereits in Frankreich wurzelte und daß eine abenteuerliche Liebesgeschichte der Pflanze zu ihrem Namen verhalf.

Weiter wollen wir dann ihren ebenso spannenden Weg nach Pillnitz und ihre Entwicklung im sächsischen Gartenbau verfolgen. Damit diese Geschichte entstehen konnte, mußten viele kleine Hinweise aus Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, wie ein Puzzle sich zusammenfügen. Und damit dies nicht zu leicht wird, gibt es den Verästelungen eines Baumes gleich, viele Nebengeschichten, die aber hier nur am Rande erwähnt seien.

Im Namen der Liebe

In den Jahren 1766 bis 1769 fand unter Leitung des Mathematikers und Navigators Louis – Antoine de Bongainville eine der Forschung dienende Weltumsegelung statt. Mit an Bord war der französische Arzt, Hofgärtner, Botaniker und Pflanzenjäger Philibert Commerson (1727 – 1773). Er soll die Hortensie 1767 in China entdeckt haben. Nach anderen Angaben war Commerson jedoch nie in China. In anderen Quellen wird beschrieben, dass er ein Exemplar im April/Mai 1771 auf der Insel Bourboun, ein weiteres im Februar 1773 bei Ville Bague auf der ‚Isle de France‘, dem heutigen Mauritius gefunden hat. Es sei anzunehmen, daß die Hortensie zwischen 1768 und 1771 aus chinesischen Gärten nach den Mascarenen und damit in seine Hände gelangte. Im Genfer Herbar sind einige zum Teil von ihm handschriftlich etikettierte Pflanzen aufbewahrt. Darauf vermerkt er, dass diese von den Eingeborenen als japanische, bzw. chinesische Rose bezeichnet werden.

Wie es auch sei, begleitet ist diese „Pflanzenjagd“ mit einer herrlichen Liebesgeschichte. Mit an Bord des Schiffes, als Commersons Assistent, war Jean Baret. In Wirklichkeit steckte in den Kleidern eines Mannes, Jeanne Baret, eine junge Frau. Während eines Aufenthaltes der Reisenden auf Mallicollo, einer Insel der neuen Hebriden, entdeckten Barets Reisebegleiter, dass sich ein einheimischer Häuptling sehr zu ihm (ihr) hingezogen fühlte und ihn (sie) gar entführen wollte. Seeleute kamen nun zu Hilfe und es gab ein wildes Getümmel. Die Kleider Jeans kamen in Unordnung und es wurde sichtbar, was nicht gesehen werden sollte. Damit war das Geheimnis entdeckt. Bouganville schrieb dazu:“ Commersons Diener gestand mir unter Tränen, er sei eine Frau. Sie habe im Heimathafen Rochefort ihren Herrn getäuscht, als sie sich in Männerkleidern an Bord begeben habe.“ Vielleicht aufgrund dieser Begebenheit blieb am Ende der Weltreise Commerson in „freiwilliger Verbannung“ und lebte mit seiner Geliebten auf Mauritius, wo er 1773 starb.

Die Hortensie bekommt ihren Namen

Davor, zwischen 1771 und 1773 sandte er Herbar – Exemplare von Gartenformen der Hortensie nach Genf und Paris. Ursprünglich nannte er diese `Peautia coelestina´. Dabei soll er sich auf die Frau seines Freundes und Uhrmachers Nicole – Reine Lepaute in Paris bezogen haben, die zugleich eine bekannte Astronomin war: `Peautia` – Lepaute „Coelestina“ von „coelestinum“, übersetzt „himmelblau“. Kurze Zeit später nannte Commerson selbst die Pflanze in „Hortensia“ um.

Warum tat er das? Er selbst schreibt auf einen beigefügten Pflanzenetikett : “ Himmlische Peautia – wurde sie zuerst von uns genannt – aber besser würde man sie Hortensia nennen. – Aus den Garten von Bourbon, April und Mai 1771″. Viele vermuten, daß es eine Ehrung der Astronomin sein sollte, die gemeinsam mit Clairaut die Wiederkehr des Kometen Halley berechnete. Andere meinen, Commerson nannte die Pflanze nach seiner Geliebten. Doch beide hießen offensichtlich nicht „Hortensia“. T. Whittle`s und später auch A. Bärtels schreiben nun – und das könnte des Rätsels Lösung sein – Jean änderte ihren Namen in Hortense, blieb bei ihrem Herrn und betreute ihn bis zu seinem Tode. Danach kehrte sie heim nach Paris und heiratete einen Uhrmacher.

Da bleiben nun zwei Fragen: War dieser Uhrmacher Lepaute und wurde Hortense vielleicht seine zweite Frau? Oder ist die Berufsgleichheit eher Zufall? Denkbar wird diese These durch einen Hinweis von F. Kammerer. Zum einen war der Uhrmacher Commersons Freund, zum anderen unterhielt er Handelsbeziehungen zu China. Abschließend sei zu Commerson vermerkt, dass er bereits 1756, weit vor seiner Weltreise, den Botanischen Garten von Chatillon gründete. Antonie- Laurent de Jussieu ordnet 1789 in ihren `Genera plantarum` ( Jussieu’schen Pflanzensystem ) ihm die Entdeckung von 1000 neuen Pflanzengattungen zu. Die Hortensie war nur eine davon. Der spätere Hofgärtner in Pillnitz, Carl Adolph Terscheck, meinte, Lepaute hätte schon vor Sir Joseph Banks` Import nach England die Hortensie nach Frankreich eingeführt.

Die Hortensie gelangt nach Sachsen

Mit der Erwähnung von Carl Adolph Terscheck (1782 – 1869) wird es nun eine „sächsische“ Geschichte. In sehr jungen Jahren, 1795, war er Gehilfe im Park Monceau bei Paris. Fast täglich besuchte der Uhrenhändler Charles (oder Charlos) den Garten. Dieser vermögende Pflanzenfreund sollte nicht nur selbst eine große Sammlung besitzen, auch ließ er sich Pflanzen aus Fernost schicken. Bei einer solchen Sendung befand sich eine besonders schön blühende – eine Hortensie. Terscheck bat sich einen Steckling aus und kultivierte diesen im Park Monceau zu einer ansehnlichen Pflanze.

In einer anderen Quelle wird beschrieben, daß Terscheck sich von dem Uhrenhändler ein Herbarexemplar erbat, dieses aber bewurzelte. Da auch erwähnt wird, daß des Uhrenhändlers Frau Hortensia hieß, stellte sich natürlich die Frage: Gleicher Beruf, gleicher Name der Ehefrau, beide in Paris ansässig – ist Charles und Lepaute identisch? Wir wissen es nicht. Terscheck verließ Paris gen London, nicht ohne seine Hortensie zu seinem Vater nach Eythra bei Leipzig zu schicken. Dieser war Schloßgärtner beim ehemaligen Kabinettsminister von Senft – Pilsach. Als Terscheck nach Beendigung seiner Wanderjahre Gärtner im Dresdner Palaisgarten wurde, nahm er die Hortensie mit.

Die intensiv blauen Blütenbälle sorgten für Aufsehen. Jedoch soll es Probleme mit der Frosthärte gegeben haben. Die Wanderung sollte aber noch längst nicht zu Ende sein. Im Jahre 1830 wurde die Pflanze nach Berlin verkauft. Der Kabinettsminister Graf von Einsiedel hatte sehr großen Gefallen an der Hortensie gefunden und holte sie zurück nach Dresden, wieder in das Eigentum Terschecks. Dieser übergab bei seiner Pensionierung 1865 den Besitz an seinen Neffen Otto Terscheck, der Verwalter der fiskalischen Weinberge in Pillnitz war. Geringe Pflege und schlechte Überwinterung setzten nun der Pflanze zu. Schon nach drei Jahren, 1868, mußte die Pflanze durch den Tod Otto Terschecks wieder wandern. Carl Adolph Terscheck – nun schon 88 Jahre alt – bat ein Jahr vor seinem Tod seinen Nachfolger im Amt des Hofgärtners Wentzel , die Pflanze in seine Obhut zu nehmen.

Mit königlicher Genehmigung wurde die Pflanze offiziell in die Pillnitzer Pflanzensammlung aufgenommen und blühte erstmals 1869 wieder. So konnte der Hofgärtner Wentzel, als Carl Adolph Terscheck am 19. Juni desselben Jahres starb, ihm einen Strauß der schönen Blumen in seinen Sarg mitgeben. Immerhin hatte die Pflanze den alten Gärtner nun 74 Jahre begleitet. Weiter wird berichtet, dass 1873 König Johann bis spät in den Herbst in ihrem Schatten saß und beim Anschauen der unaussprechlich reichen und schönen blauen Blütenfülle seine Schmerzen vergaß. Später wurde sie sonniger gestellt und erhielt statt der bisher blauen Blüten nun rötliche. Der Hofgärtner Wentzel sprach darüber mit dem König und bat darum, sie zurück an den ursprünglichen Schattenplatz stellen zu dürfen. Hier liegt sicher ein Irrtum vor, denn gleichzeitig berichtete der Gärtner, daß die Pflanze wöchentlich „einen Guß von zwei gewöhnlichen Kannen voll Hornspanwasser“ empfängt.

Es ist anzunehmen, daß sich dadurch der pH – Wert des Bodens erhöhte und die veränderte Blütenfärbung hervorrief. Damals – um 1885 – hatte die Pflanze einen Umfang von 9,5 m, einen Durchmesser von 3,5 m und eine Höhe von 1,75 m (Höhe mit Pflanzkübel 2,5 m). Diese einmalige Hortensie sollte noch beinahe 100 Jahre weiterleben. Ende der 50-iger Jahre des 20. Jahrhunderts wurde sie noch von Brigitte Clauss in voller Pracht fotografiert und in ihrem 1961 erschienenen Hortensienbuch abgebildet. Vermutlich ist die Pflanze Mitte der 70-iger Jahre, etwa im Alter von 180 Jahren, eingegangen. Man spricht von zu nasser Überwinterung, doch genaue Angaben fehlen. Wehe dem Gärtner, welchem so ein Missgeschick passiert. Die Frauenkirche und andere Bauwerke konnten wieder entstehen. Kann es auch die berühmte Pillnitzer Hortensie wieder geben?

Hydrangea macrophylla `Sir Joseph Banks`

Die Art läßt sich leicht bestimmen, doch die Sorte, sprich Gartenform, nicht. Commersons kultivierte auf Mauritius Hortensien. Eine Pflanze schickte er nach Paris in den `Jardin des Planta`. Dort beschrieb sie Lamarck als `Hortensia opuloides`. „Dem opulus ähnlich“ verweist auf den Schneeball. Der Name jedoch hatte keinen Bestand. In der älteren Literatur spricht man von Hortensia hortensis, bzw. Hydrangea hortensis als Gattung, bzw. Art – Namen. Hier schließt sich der Kreis wieder zum Anfang der Geschichte.

Auf der Grundlage der Hortensie, die der bereits erwähnter Sir Joseph Banks nach England mitbrachte, vergab 1791 Sir James Smith, der Präsident der Linne`- Gesellschaft den Namen Hydrangea hortensis. Für die gleiche Art gab es aber seit 1784, von Thunberg beschrieben, den Namen Viburnum macrophyllum. Durch die Form der Blüten wurden die Hortensien fälschlicherweise zu den Schneebällen (Viburnum) eingeordnet. Charles Seringe schaffte 1830 Ordnung, in dem er von Smith den Gattungsnamen und von Thunberg den Artnamen entlieh und beides zu „Hydrangea macrophylla“ zusammenfügte.

Damit war der heute gültige Name geboren. Banks Pflanze hieß nun: Hydrangea macrophylla `Sir Joseph Banks`. Diese war je nach Bodenreaktion rosa oder hellblau. Die Pillnitzer Sorte wird jedoch als „tiefblau“ beschrieben. So könnte es sich wohl um eine andere handeln. Es ist aber nicht ausgeschlossen, da nach heutigem Verständnis tiefblaue Sorten noch nicht bekannt waren, daß hellblau als tiefblau bezeichnet wurde. Dafür spricht Hans F.Kammeyer’s Aussage, der von zartblauen Blüten spricht. Auch zwei Augenzeugen aus den 50-er Jahren, haben die Hortensie eher als helle Blume im Gedächtnis. Zum einen ist dies der Landschaftsarchitekt und Rhododendronspezialist Prof. (em.) Dr. Siegfried Sommer, der die Pflanze aus seiner Gehilfenzeit 1953-54 bei Kammeyer kannte.

Die zweite Bestätigung kommt von Sieghart Prkno, dem Schwiegersohn des Bautzener Hortensienzüchters Dienemann, der in dieser Zeit im Pillnitzer Zierpflanzeninstitut arbeitete. Andererseits denkbar – von Farbe und Form – wäre noch Hydrangea macrophylla `Otaksa`, eine Pflanze, die unser berümter Botaniker Dr. Franz von Siebold 1829 oder 1830 von Japan aus nach Europa – genauer nach Leiden – schickte. Er nannte sie nach seiner japanischen Geliebten: Otaki Kusumoto, genannt Sonogi. Aber das ist eine sehr spannende, aber doch schon wieder andere Geschichte, die hier nur am Rande Erwähnung finden soll.

Siebold's `Otaksa'

Der aufmerksame Leser des Vorangegangenen wird sich fragen: Siebold schickte die Pflanze 1829/1830, die Pillnitzer Hortensie erhielt Terscheck jedoch bereits 1795. Wie soll das gehen? Offensichtlich war die `Otaksa` vor der Sieboldschen Benennung schon lange Zeit in China als Gartenform bekannt. Zugegeben, das sind alles Spekulationen. Derzeit neigt der Autor eher der `Sir Joseph Banks` zu. Zum einen ist es die hellere Farbe, die auch einige Fotos, trotz möglicher Verfälschungen, belegen. Des weiteren beschreibt H.Kuhlen vom Botanischen Institut der Universität Bonn 1956 als charakteristisch für die Sorte `Sir Joseph Banks`, dass die „großen, kugelförmigen Blütenstände nur an den Enden der Haupttriebe hervorschießen“.

Hydrangea otaksa

Soweit erkennbar scheinen die vorhandenen Fotos dies zu bestätigen. Siebold’s `Otaksa‘ bildet auch an Seitentrieben Blütenstände. Viel, viel besser zur genauen Bestimmung wäre ein anderer Weg: Denkbar wäre doch, daß in der etwa 175-jährigen Lebenszeit die Pflanze vermehrt wurde, mancher Gärtner oder Blumenfreund einen Steckling geschnitten hat, diesen bewurzelt und so eine Pflanze erhalten hat. Genauso denkbar wäre es, daß eine dieser Pflanzen überlebt hat. Vielleicht steht genau die gesuchte Hortensie in einem Pillnitzer Garten? Vielleicht liest ein Wissender diese Zeilen und meldet sich! Pflanzen, die der König besaß, liebte und auch zeigte, die wollten viele auch haben. Das regte die Wirtschaft an. Wir kennen das von der Kamelie, verbunden mit der Gärtnerdynastie Seidel, die den sächsischen Gartenbau zu Weltruhm führte. Nicht anders bei der Hortensie, einem weiteren ostasiatischen Wunderblüher, wie er so gut zum „sächsisch – chinoiasen“ paßte.

Erstaunlich lange blieb diese Hortensie jedoch eher eine Pflanze der Sammlungen und Botanischen Gärten. Die Gärtner entdeckten sie spät für sich, anfangs füllte die `Otaksa` fast allein die Gewächshäuser. Der französische Züchter Lemoine las aus ihr 1894 die Sorte `Otaksa Monstruosa` aus. Neben der `Otaksa` hatte Siebold aber auch die `Intermedia`, und die `Rosalba` nach Leiden gesandt. Charles Maries schickte 1879 dann eine Hortensie an die berühmte englische Baumschule Veitch, die den Namen `Mariesii` erhielt. In den Jahren 1902 – 1903 säte der Franzose Lemoine Samen dieser Sorte aus und las daraus 3 Pflanzen aus, denen er die Sortennamen `Mariesii Perfecta`, `Mariesii Grandiflora` und `Mariesii Lilacina` gab. Die europäische Hortensienzüchtung war geboren.

Ihm folgte sein Landsmann Emile Mouilliere, der ab 1908 und später mit seinem Sohn etwa 70 neue Sorten züchtete. Die wohl heute noch bedeutendste war die weiße `Mme. E. Mouillere` , eine 1909 aus H.m. mariesii grandiflora und H.m. rosea entstandene Kreuzung. In kurzer Zeit entstanden in Frankreich eine Vielzahl Sorten. In Deutschland gab es um diese Neuheiten einen regelrechten Wettlauf. Jedoch stellte sich heraus, daß Masse oft nicht gleich Klasse ist und manche Sorte zu wenig auf wirkliche Produktionseignung geprüft war. Der Ruf nach eigener Züchtung in Deutschland wurde längst im Stillen von A. Rosenkränzer aus Saarbrücken erhört. Bereits seit 1904 kreuzte er selbst Hortensien. Im Jahre 1911 brachte er als erste deutsche Sorte die Hortensie `Saarbrücken` heraus, die das Ergebnis der Kreuzung von `Souvenir de Claire` mit `Otaksa monstruosa` war. Ihr folgte ´Frau A. Rosenkränzer`(1912), `Heinrich Lambert`(1913), `Eugen Ullrich`(1913) und eine Reihe weitere.

Friedrich Matthes legt Grundstein für Hortensienzüchtung in Sachsen

Bereits seit 1913 züchtete dann Joseph Wintergalen aus Münster `Münster`, Carmen`, `Vulkan`, `Westfalen`, `Gyselheer` und viele andere. Ab 1919 folgte Schadendorff aus Wedel in Schleswig – Holstein gelegen mit `Elbe`, `Europa`, `Hamburg`, `Holstein` usw. Beide Züchter sorgten für enorme Fortschritte in der züchterischen Entwicklung Europas. Nun erst, ab 1923, trat der erste sächsische Züchter in die Öffentlichkeit.

Friedrich Matthes im Gewächshaus

Es war Friedrich Matthes aus Ottendorf – Okrilla. Geboren wurde er am 16. April 1870. Als junger Mann arbeitete er mehrere Jahre in Kanada, kehrte 1894 nach Sachsen zurück und gründete seine Gärtnerei. Dort befasste er sich mit Nelken, Bougainvillen, Boronien und vielem mehr. Wann er mit der Hortensienzüchtung begann, wissen wir nicht. Aber 1923 brachte er seine ersten, im ganzen Land sehr beachteten Sorten heraus: `Friedrich Matthes`, `Gerhard Glahn`, `Blauer Prinz` und `Goliath`. Nun züchtete er aller ein bis zwei Jahre neue Sorten. Dazu gehörten u.a. `Mein Ideal`(1924), `Schöne Dresdnerin`(1925), `Heideröschen`(1926), `Sachsenkind`(1927), `Spätsommer`(1928), `Willkommen`(1929), `Graf Zeppelin`(1930), `Heinrich Seidel` und `Gartendirektor Kunert`(1931).

Friedrich Matthes setzte sich folgende Zuchtziele:

  • Reichblütigkeit
  • niedriger, gedrungener Wuchs
  • feste sich gut tragende Dolden
  • intensive, leuchtende Färbungen

Dass er diese erreichte, sollen einige Kommentare in Fachzeitschriften zeigen:

  • „Durch diese (Hortensie d.R.) Züchtungen ist der Name Matthes mit der Entwicklungsgeschichte unseres heimischen Gartenbaus unzertrennbar verbunden.“ (Hahn, 1940)
  • „Friedrich Matthes ist ein wandelndes Lexikon in Bezug auf Züchtungs- und Kulturkniffe, die besonders der deutschen Erwerbsgärtnerei in Bezug auf Wirtschaftlichkeit dienen.“ (Vogtländer, 1933)
  • „Wer heute noch die alten Sorten (gemeint sind die französischen d.R.) kultiviert, kann wirklich nicht sagen, daß er auf der Höhe sei; denn die Züchtungen von Matthes … sind derart hervorragend und zeichnen sich so sehr durch Blühwilligkeit, gute Haltung, Blütenfärbung und Großblumigkeit vor den alten Sorten aus, daß die vorwärtsstrebenden und weitsichtigen Gärtner kaltblütig die alten Sorten auf den Komposthaufen wandern lassen…“ (Reiter, 1924)
  • “ Die Züchter Wintergalen und Matthes sind die hervorragendsten Pfadfinder und Erschließer dieses Kulturrevieres (Erwecken der Hortensie d. R.) geworden und haben uns ein schönes Wunder um das andere beschert.“ (Mühle,A., 1928)

Im Jahre 1954 reichte die Firma Matthes noch eine Reihe Sorten zum Vergleichsanbau in das Pillnitzer Zierpflanzeninstitut ein (siehe weiter unten). Dann versiegen die Nachrichten. Heute ist die Matthessche Gärtnerei Standort eines Autohauses. Die Nachkriegsgeschichte war auch züchterisch die eines geteilten Deutschlands. Einen Sortenaustausch, ob legal oder illegal, gab es jedoch immer. Die westdeutsche Züchtung ist vor allem mit den Namen Brugger, Steiniger, Haller, Preisig, Dr. Bosse, Rampp und Kienzler verbunden.

Ostdeutsche Hortensienzüchtung seit der Nachkriegszeit

Die ostdeutsche Züchtung wurde und ist auch heute noch weitestgehend eine „sächsische“. Vorerst werden ab 1954 im Zierpflanzeninstitut in der Versuchsstation Pillnitz (1913 – 1915 als „Neue königliche Hofgärtnerei zu Pillnitz gebaut, seit 1922 unter Dr. Alexander Steffen als Versuchs- und Beispielgärtnerei betrieben) eine Vielzahl von Sorten zur Sichtung aufgestellt. Mit einbezogen in die Versuche war die GPG „Leuchtfeuer“ Dresden- Striesen (vormals Robert Paul Hofmann), die Fa. Dienemann (Bautzen) und die Fa. Elsner (Dresden -Tolkewitz). Frau Brigitte Clauss (später verheiratete Uhlig) stellte aus den Ergebnissen 1959 ein Empfehlungs-Sortiment vor. Dieses befriedigte jedoch nicht, so dass eine eigene ostdeutsche Züchtung angeregt wurde.

Im gleichen Jahr 1959 – ermutigt durch den Pillnitzer Vergleichsanbau – begann Herrmann Dienemann in Bautzen seine Züchtungsarbeit, die maßgeblich durch seinen Schwiegersohn Sieghart Prkno mitgestaltet wurde. Im Jahre 1906 gegründeten Dienemannschen Betrieb gehörten spätestens seit Beginn der 20-iger Jahre Hortensien zu den angebauten Kulturen. 1938 wurden 27000 mehrstielige und 10000 einstielige Hydrangea produziert. Bereits 1962 konnte eine Gruppe von Hortensienspezialisten aus den Dienemannschen Kreuzungen einige Stämme auswählen, die beim Züchter und in der GPG „Leuchtfeuer“ zur Prüfung aufgestellt wurden.

Zwei Jahre später wurden dann sieben Neuzüchtungen aus dem Zuchtmaterial ausgelesen: `Schneekristall`, `Nymphe`, `Schneewittchen`,`Rotbart`, `Herrmann Dienemann`, `Bautzen` und `Rotkäppchen`. Aus wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Gründen durften die Sorten nicht selbst gehandelt werden. Sie mußten mit allen Rechten an das VEG Saatzucht Zierpflanzen Erfurt, dem staatlichen Zusammenschluß aller Großbetriebe des Zierpflanzenbaus der DDR, abgegeben werden. Im Betriebsteil Nieschütz, der elbabwärts von Meißen gelegenen ehemaligen Gärtnerei Stahnke, wurden die Sorten nun vermehrt und gehandelt. Später entstanden in Bautzen noch Sorten wie die `Lusatia`, `Schöne Bautznerin`, `Blauer Ball`, `Spreeperle` u.a.

Nachdem 1972 der Betrieb in die Gärtnerische Produktionsgemeinschaft Bautzen eingebracht wurde, musste aus ökonomischen Gründen 1974 die Züchtungsarbeit eingestellt werden. Die Qualität Dienemannscher Sorten wird beim Studium von Sortenlisten westeuropäischer Anbauer deutlich. Allerdings findet man diese dort oft unter anderem Namen. Um Lizenzgebühren zu sparen, wurde aus `Hermann Dienemann` die Sorte `Leuchtfeuer` und die `Schöne Bautznerin` musste sich gar `Roter Baron` nennen lassen. Als in Nieschütz die Anlaufschwierigkeiten bei der Produktion der Dienemannschen Sorten überwunden waren, brachte man als Ergebnis eigener Züchtungsarbeit ab 1979 die ersten eigenen Sorten heraus. Dazu gehörten `Albrechtsburg`, `Meißner Dom`, `Heinrichsburg`, `Luisenburg` und `Rosalia`. 1984 wurden aus dem VEG Saatgut Zierpflanzen Erfurt die Dresdner Betriebe herausgelöst und zum VEG Saatgut Zierpflanzen Dresden zusammengeschlossen.

Damit entstand eine leistungsfähige, exportorientierte Gruppe von Gärtnereien, zu der auch Nieschütz gehörte. Als volkseigenes Gut wurde mit der Wende 1989 auch dieser Betrieb der Treuhandgesellschaft zugeordnet. Nun zur PAC Dresdner Pflanzen GmbH umgewandelt, wollte der Betrieb hoffnungsvoll in die Zukunft starten. Doch aufgrund des wertvollen Baulandes in innerstädtischen Lagen, wie z.B. die des ehemaligen Seidelschen Betriebes, sollte das nicht sein. Von Bebauung und Rückgabe an die Alteigentümer blieben die Betriebsteile Nieschütz und Weixdorf verschont. Diese wurden privatisiert und firmierten nun unter „Dresdner Zierpflanzen Steinle OHG“. In der Züchtung entstanden Sorten wie `Schneeball`, `Elbtal`, `Schloß Hirschstein`, `Roter Zwerg`, `Moritzburg`, `Diskus rosa`, `Diskus weiß` und `Rosengarten`.

Ab 1. Juli 2003 konnte der Geschäftsführer des Steinle- Betriebes und Nachkomme der oben erwähnten Gärtnerei R. P. Hofmann, die Betriebsteile erwerben und firmierte nun unter „Zierpflanzen.de Günter Hofmann“. Die Züchtung von Hortensien lag inzwischen in den Händen von Frau Katrin Meinl und wurde erheblich ausgeweitet. Es entstanden in der Gruppe „Saxon – Hortensien“, Sorten wie `Königstein`, `Lilienstein`, ` Bastei` und `Weesenstein bicolor`. Mit dem Tod des Eigentümers ging im Jahre 2005 auch die Nieschützer Züchtungsarbeit zu Ende. Die Dresdner Gärtner Claus und Torsten Kühne erwarben im Frühjahr 2006 den Weixdorfer Betrieb und übernahmen auch das gesamte Nieschützer Zuchtmaterial. Auf dieser Grundlage ist nun der erfahrenen Züchterin Katrin Meinl die weitere Arbeit möglich.