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An Buddhas Geburtstag regnet es süßen Hortensientee

Amacha – Süßer Hortensientee – Himmelstee

Anfang April, wenn Kirschen und Kamelien blühen, ist in Japan eine ganz besondere Zeit. Überall auf den Bahnhöfen gibt es Kirschblüteninformationen, wo man ablesen kann, wie weit die Blüte an den einzelnen Orten entwickelt ist. Wenn es dann soweit ist, ziehen die Japaner in Scharen zu den blühenden Bäumen, um zu schauen und zu feiern. Bei unserem Besuch wollte unser Gastgeber, der damalige Student der Landwirtschaft, Takehiko Hirose, uns auch den Tempel seiner Familie zeigen.

Von Kyoto, der Stadt mit den schönsten Gärten der Welt, ging es zu Fuß entlang eines mit blühenden Zierkirschen gesäumten Steiges, des Philosophenweges. Der Zugang zum Tempel führte uns dann entlang alter Kamelienbäume. Auf den dunklen feuchten Steinen des naturnahen Pflasters lagen die roten Blüten dicht gesät. Eine Einstimmung für das Kommende, wie sie nicht großartiger zelebriert werden konnte. Der Tempel Honen-In liegt inmitten der nebeldurchwirkten bewaldeten Berghänge, die die Stadt halbkreisförmig umschließen.

Der Vater des dortigen Priesters hatte einst in Berlin studiert, so dass sich interessante Gespräche ergaben. Gerade in der Zeit unseres Besuches, der Kirsch- und der Kamelienblüte, wurde ein besonderes Fest vorbereitet: Buddhas Geburtstag – das Fest Kambutsue, oder auch Blumenfest Hana-Matsuri. Am 8. April des Jahres 446 vor Christus Geburt wurde Gautama Buddha geboren. Die Sage berichtet, dass bei seiner Geburt die Erde bebte und vom Himmel regnete es Blumen und den süßen Tee „Amacha“. Dieser süße Tee stammt von einigen Hortensien der Unterart Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser., den Berghortensien, ab.

Zum Fest wird eine Statue des Buddhakindes aufgestellt und ringsherum mit Blumen geschmückt. Eine Besonderheit des Tempels Honen-In war ein Innenhof mit drei uralten Kamelien. Da im April ohnehin keine Hortensien blühen, wurde das dunkel lackierte Holz um die Figur mit den Blüten der Kamelien belegt. Um die „vom Himmel regnenden Blumen“ zu symbolisieren, war über dem Buddha ein mit Kamelienblüten schier überladenes Dach gebaut. Die Tempeldiener kochen am Festtag Amacha – Tee und verteilen diesen an die Gäste.

Der Tee wird getrunken, auch mit nach Hause genommen, aber auch mit kleinen Schöpfkellen zur Segnung über das Buddhakind gegossen: Es regnet Himmelstee. Die Gäste sind mit farbenfrohen Kimonos geschmückt. Manchmal gibt es auch Umzüge. Immerhin soll der Tee magische Kräfte besitzen und vor bösen Geistern, Schlangen und Insekten schützen. Überaus beliebt waren diese Teehortensien in der Edo-Periode (1600-1868). In dieser Zeit entstanden große Anpflanzungen rund um die Klöster. Die Herstellung des Tees ist in vielem ähnlich der Bearbeitung des üblichen Tees aus Camellia sinensis Kuntze.

Zubereitung des Tees

Die Blätter werden an der Sonne getrocknet, dann wieder befeuchtet und 24 Stunden fermentiert. Dadurch wird die Süßwirkung erhöht. Diese soll auch schon erreicht werden, wenn die angewelkten Blätter einige Tage bei 20 – 25 °C an einem feuchten Ort aufbewahrt werden. Auch ähnlich wie bei Kamelientees sind die jungen Blätter am gehaltvollsten. Geerntet werden die Spitzenblätter am besten im Juni, Juli, auf jeden Fall vor der Blüte, von im Halbschatten gewachsenen Pflanzen.

In anderen Quellen werden auch August bis Oktober oder aber auch nur wenige Tage im August als Pflückzeit empfohlen. Blüten und Triebspitzen sollen ebenfalls viel Süßstoff enthalten. Zu Buddhas Geburtstag wird der vorjährige Tee ausgeschenkt. Schon ein Blatt pro Tasse oder Schale reicht aus. Über Ziehzeiten und Wassertemperatur gibt es verschiedenen Angaben. Uns hat der Tee mit 80 °C heißem Wasser bei 40 Sekunden Ziehzeit am besten geschmeckt. Da ist er süß und erfrischend. Lässt man das Blatt länger im Wasser, wird der Tee zu süß.

Es bleibt auf jeden Fall Raum zum Experimentieren. Dies ist auch überhaupt nicht verwunderlich. Die Hortensienteepflanzen enthalten Phyllodulcin. Dieses soll 250-mal, nach anderen Angaben sogar 600-800mal süßer als Zucker sein. Dies wussten die Japaner wohl schon vor der Zubereitung zu Tee, denn ursprünglich kochten daher die Japaner die Amacha – Blätter zu Sirup und verwandten diesen zum Süßen von Speisen und Getränken. Auch Tannin ist im Tee enthalten, dafür wohl aber kein Koffein und auch das sonst in Hortensien verbreitete und für Menschen giftige Glykosid Hydrangin nicht.

Spricht man von Pflanzen und Tee, so wird auch immer nach der Heilwirkung gefragt. Amacha – Tee werden Wirkungen als Antiallergikum und zur Bekämpfung von Parodontitis zugesprochen. Auch pilzhemmend und antibiotisch soll der Tee wirken. Die entzündungshemmenden Eigenschaften von Amacha pflegen die Kopfhaut und schützen vor Haarausfall. Manche Teehortensien sind Sorten und von Menschenhand gezüchtet; andere kommen natürlich in den Bergen Nord- und Zentraljapans vor.

Geeignete Teesorten

Alle Sorten, in denen das Wort „Amacha“ für „Süßer Tee“ vorkommt, sollen auch für Tee geeignet sein. Eine Ausnahme ist die traditionelle, schon von Siebold beschriebene, Varietät thunbergii. Der süßeste Tee soll von der langblättrigen Hortensie der Sorte ‚Nagaba Amacha‘ aus Zentralhonshu stammen. Diese Sorte ist hier aber nicht bekannt. Daniel Rühlemann, der bekannte Kräuterexperte aus Horstedt, hat verschiedene Sorten getestet und festgestellt, dass viele trotz der Süße einen bitteren Nachgeschmack haben. Frei davon und besonders zu empfehlen sei die Sorte ‚Oamacha‘.

Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser. ‚Oamacha‘ Tomitaro Makino (1862-1957) beschrieb diese Teehortensie 1928. Sie ist nicht nur nützlich sondern auch recht schön. Im Herbst bekommt der etwa 1,5 m hoch werdende Strauch eine purpurrote Laubfärbung. Die fruchtbaren Blüten sind blau, die sterilen Randblüten violettrosa.

Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser. ‚Amagi Amacha‘ Diese Teehortensie wird nicht viel höher als 50 cm, wächst aber recht robust und dicht. Die Blätter haben helle grüne Nerven. Die fruchtbaren wie auch die Randblüten sind weiß. Auch diese Pflanze beschrieb Tomitaro Makino (1862-1957) etwa im Jahr 1925. Ihre Heimat sind die japanischen Inseln Honshu, Kyushu und Shikoku.

Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser. ‚Odoriko Amacha‘ In neutraler Erde sind die fruchtbaren Blätter rotviolett und die Randblüten weiß. Bei saurer Bodenreaktion wird sie innen blau und außen zart weißblau. Auffällig sind die langen Staubgefäße der fruchtbaren Blüten. Diese Teehortensie soll ein Sämling von ‚Amagi Amacha‘ sein, was gut an den lanzettförmigen Blättern erkennbar sein soll. Gezüchtet wurde er von Takeomi Yamamoto aus Japan um 1960.

Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser. ‚Yae no Amacha‘ Diese 1 bis 1,25 m hohe Teehortensie hat doppelte sterile Blüten und wirkt damit gefüllt. Sie sind rosa bis lilarosa. Gezüchtet wurde sie von S. Tada aus Japan im Jahr 1960.

Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser. var. thunbergii Makino. Auch wenn bei dieser nach dem schwedischen Botaniker Carl Peter Thunberg benannten Pflanze das Wort „Amacha“ nicht im Namen vorkommt, wird sie doch zu den Teehortensien gezählt. Beschrieben hat den bis 1,2 m hohen Strauch Thunbergs Nachfolger auf der japanischen Kunstinsel Deshima Franz von Siebold im Jahr 1840. Heimisch ist diese Varietät in den Bergen von Shikoku. Das Holz ist dunkel und charakteristisch gedreht. Die Blüten sind blaßrosa und sollen sogar leicht duften. Offensichtlich sind verschiedene Pflanzen unter dem Namen „Thunbergii“ im Handel.

Zur Amacha-Gruppe oder den Teehortensien gehören noch viele andere wie ‚Amacha Yae‘, ‚Chuba Amacha‘, ‚Hakka Amacha‘, ‚Hime Amacha‘, ‚Ko Amacha‘, ‚Nagaba Amacha‘, ‚Oamacha‘, ‚Oh Yama Amachi Ezo‘, ‚Shiro Amache‘, ‚Shirobana Amache‘, ‚Wase Amacha‘ u.s.w.

Oft wird behauptet, dass diese jahrhundertealte japanische Teetradition bei uns noch nicht lange bekannt ist. Ein Blick in Philipp Franz von Siebolds und Joseph Gerhard Zuccarinis „Flora Japonica“ aus dem Jahre 1870 belehrt uns eines Besseren. In diesem Tafelband wurden die botanischen Erkenntnisse aus Siebolds beiden Japanreisen von 1823 bis 1829 und 1859 bis 1861 dokumentiert. Die dort beschriebene und gezeichnete Hydrangea thunbergii bezeichnet er mit dem japanischen Namen Ama-tsja und liefert die Übersetzung Thea dulcis – Süßer Tee gleich mit. Er schreibt darüber: „Diese schöne so hervorragende Art wächst in der Natur in den Provinzen ‚d’Awa‘ und ‚Sanuki‘ der Insel Sikoku.

Nach Berichten japanischer Botaniker findet man sie auch in den Bergen in der Mitte der Insel Nippon. … Die getrockneten Blätter liefern einen begehrten Tee, der durch seinen angenehmen und süßen Geschmack den Namen ‚Ama-tsjá‘ trägt, ein Name, der himmlischer Tee bedeutet und der nach einigen Urhebern von dem Tag der Geburt des ‚Siaka‘ (Buddha) herrührt, der auf den achten Tag des vierten Monats des Jahres fällt. Man wäscht die Idole des göttlichen Gründers der Religion. Diese Feierlichkeit erinnert an die Taufe des Gottes ‚Sjaka‘.“ Die zu Ehren Thunbergs benannte Hortensie mit dem heutigen Namen Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. ssp. serrata (Thunb.) Ser. var. thunbergii, sandte Philipp Franz von Siebold von seiner 2. Japanreise 1859 – 1861 nach Europa. Erstaunlich ist doch, dass nach über 150 Jahren noch keiner auf den Gedanken gekommen ist, diese winterharte Pflanze auch hier zur Süßstoffgewinnung landwirtschaftlich anzubauen.

Heute kann man Amacha (auch Ama cha) in gut sortierten Teegeschäften auch hier erhalten. Nicht nur für Genießer, sondern auch für Diabetiker ist die Tee-Hortensie als nahezu kalorienfreies (7 Kalorien auf 100 g) Süßungsmittel interessant.

Das edelste Papier aus dem Holz der Rispenhortensie

Tesuki Washi sind handgeschöpfte Japanpapiere. Diese werden aus den Rinden verschiedener Pflanzen wie Hanf, Seidelbast, Maulbeerbaum und Edgeworthia, hergestellt. Relativ selten wird aus dem Holz der Rispenhortensie Hydrangea paniculata Sieb. ein besonderes Papier geschöpft. Die Rinde der jungen Sprosse wird abgezogen und in Holzfässern gedämpft. Dann werden die Zweige entrindet. Nach Einweichen und Kochen lösen sich die Fasern. Das nachfolgend gewaschene Material wird geschlagen oder auf einen flachen Stein faserig gerieben. Um dann ein qualitativ hochwertiges Papier schöpfen zu können, erfanden die Japaner einen hellen, viskoseartigen Schleimstoff, den sie „Neri“ nennen.

Durch Zugabe dieses Stoffes ist es möglich lange Fasern zu nutzen, die im Wasser gleichmäßig verteilt schweben, ohne dass diese auf den Boden absinken. Dadurch kann man ein wertvolles, bei Bedarf auch sehr dünnes Papier schöpfen. Zur Herstellung des Neri werden vor allem die Wurzeln von Abelmoschus manihot (L.)Medik. verwandt, seltener aber auch wieder die Rispenhortensie Hydrangea paniculata Sieb. In früherer Zeit gab es in Japan ganze Papiermacherdörfer. Diese waren an südlichen Hängen in Wassernähe angesiedelt. Ursprünglich war es der Nebenerwerb der Reisbauern, aus denen sich dann hochspezialisierte Papiermacher entwickelten. Die Kunst des Papiermachens wurde in China entwickelt. Von dort gelangte sie nach Korea, von wo sie im Jahr 610 der koreanische Mönch Doncho nach Japan brachte.

Wer bei seinem kleinen Strauch im Garten daran zweifelt, wo denn nennenswerte Mengen an Rinde gewonnen werden können, dem sei gesagt, dass die Rispenhortensie durchaus zu Großsträuchern oder kleinen Bäumen bis zu 7 oder 8 m heranwachsen kann.

Gesundheit aus den Wurzeln der nordamerikanischen Waldhortensie Hydrangea arborescens L.

Dieser in den Wäldern Nordostamerikas wachsende, Ausläufer bildende Strauch war die erste Hortensie, die überhaupt nach Europa kam. Etwa 1730 entdeckt, wurde sie 1736 durch Peter Collins bestimmt. Der häufigste Vertreter dieser Art in unseren Gärten ist die Sorte ‚Annabelle‘. Die Wurzeln und Rhizome (Hydrangae arbor rhizoma) dieser Pflanze enthalten Inhaltsstoffe, wie Flavonoide (Rutin und Quercetin), Cumarine (Hydrangin), Saponine (Bitterstoffe) und ätherische Öle. Die genannten Pflanzenteile werden nach der Ernte getrocknet. Sie wirken wasserausschwemmend; d.h. sie können überschüssiges Wasser aus dem Körper entfernen. Schon bei den Cherokee-Indianern wurden die Hortensienwurzeln bei Nierengries, Nierensteinen, Nierenkoliken, Blasensteinen und blutigem Urin genutzt. Man nimmt an, dass die Hortensienmedizin das Austreiben und Zersetzen der Steine fördert. Auch sollen sie bei Schmerzen im Lumbalbereich, gegen Schwindelgefühl und einem beklemmenden Gefühl im Brustkorb hilfreich sein. Selbst bei einer vergrößerten Prostata, Blasen- oder Harnröhrenentzündung soll eine Anwendung nützlich sein. Hortensien sind reich an Silizium, Mangan und Chrom. Daher stärken sie Nerven, Immunsystem, die Spaltung und Verwertung von Fetten und regeln den Blutzucker.

Der Text entstand anlässlich der VII. Hortensienschau im Landschloß Pirna-Zuschendorf vom 21.07. – 05.08.2012.

Literatur
  • Association Shamrock (2008-2009): Hydrangea Internationales Register der Cultivarnamen. Eigenverlag Varengeville-sur-Mer.
  • BRETSCHNEIDER, E. (1898): History of European Botanical Discoveries. Zentral-Antiquariat der DDR. Leipzig. Reprint von 1981.
  • GELDEREN, C.J. van & GELDEREN, D.M. van (2004): Encyclopedia of Hydrangeas. Timper Press, Cambridge.
  • LAWSON-HALL, Toni, ROTHERA, Brian (1995): Hydrangeas. London.
  • MALLET, C. (1995): Hortensien. Ulmer Stuttgart.
  • SIEBOLD, P. F. von & ZUCCARINI, J.G. (1870): Flora Japonica Sectio Prima, Tafelband. TRIER, Harry van (2011): Hortensien. Stuttgart.
  • ERHARDT, W., GÖTZ E., BÖDEKER, N. & SEYBOLD S. (2000): Zander – Handwörterbuch der Pflanzennamen. 16. Aufl., Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.