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Auf der Suche nach der blauen Blume

Frühe Hortensieneinfuhren aus Fernost

Jedes Jahr im Frühling füllen sich die Blumengeschäfte mit herrlichen Hortensientöpfen und im Hochsommer gibt es in den Gärten Europas aller Orten eine üppige Blüte dieser Pflanze zu erleben. Einige von ihnen kommen aus Amerika; doch die Heimat der meisten Arten ist China und Japan. Auch dort ist die Hortensie schon seit Jahrhunderten eine beliebte und verbreitete Gartenpflanze. Schon die ersten Naturforscher Europas, die ihren Fuß auf die Erde dieser fernöstlichen Länder setzten, waren fasziniert von dieser Pflanze, erforschten und beschrieben sie, fertigten Herbarien an und versuchten sie per Schiff nach Europa zu senden. Doch der Seeweg damals dauerte lang (9 Monate zu Meisters Zeiten und immer noch 5 bei Siebold) und war gefährlich.

Ende des 18. Jahrhunderts blühte in England und vielleicht auch in Frankreich die erste Gartensorte. Mitte des 19. Jahrhunderts brachte dann Siebold die sagenumwobene blaue ‚Otaksa‘ aus Japan mit und als diese in seinem Garten im holländischen Leiden erblühte, war das eine Sensation. Dieser Männer, die unsere Gärten so vortrefflich bereicherten, ihres Mutes und ihres Forscherdrangs wollen wir im Nachfolgenden gedenken.

Die Holländische Ostindische Kompanie

Die Niederländer waren die einzigen Europäer, die während der Periode der Abgeschlossenheit von der kleinen künstlichen Insel Deshima aus mit den Japanern Handel treiben konnten. Somit mussten sich alle Forscher, die nach Japan reisen wollten, bei der Holländischen Ostindischen Kompanie (V.O.C.) verdingen.

Damit war auch die Verpflichtung verbunden, die erworbenen Sammlungen und Erkenntnisse zuerst in den Niederlanden zu präsentieren. Die Universitätsstadt Leiden mit dem schon 1587 gegründeten Hortus Botanicus und dem Reichsherbarium spielte dabei eine besondere Rolle. Im Herbst 2010 konnten wir beide Einrichtungen besuchen. Gerard Thijsse, Sammlungsdirektor im Nationalherbarium der Niederlande eröffnete uns die Welt der historischen Herbarien der Japanforscher. Carla Teune, pensionierte Technische Leiterin des Hortus Botanicus, wies uns auf die von Siebold stammenden, heute noch lebenden Pflanzen hin und versorgte uns mit vielen für uns wichtigen Informationen. Beiden danken wir sehr herzlich.

Dieser Besuch in Leiden und die Tatsache, dass sich in unserer Sammlung viele ursprünglich aus Japan eingeführte Hortensien befinden, sind der Grund dafür, dass es im nachfolgenden ein Ungleichgewicht zu Lasten Chinas gibt. Ziel unserer Hortensienausstellung 2011 war die Verbindung von Forscher, Herbar und dazugehöriger Pflanze. Zur Realisierung vermehrte und kultivierte uns die Claus und Torsten Kühne Jungpflanzen GbR aus Dresden das notwendige Pflanzenmaterial.

Frühe Einfuhren aus Japan - Deshima: der einzige Weg nach Japan

Deshima wurde 1634 bis 1636 als „künstliches Land“ vor Nagasaki angelegt. Die Insel hatte die Form eines Fächers, mit einer Länge von 200 m und einer Breite von 80 m (andere Angabe 120 m x 75 m). Der Shogun hatte in der Nähe des Hafens einen Berg abtragen und ihn bei Ebbe aufschütten lassen. Hier brachte man die Portugiesen unter und konnte sie so besser überwachen. Diese Zwangsmaßnahme war Ergebnis der zügellosen Missionierung und der zunehmenden Einmischung in die inneren Angelegenheiten Japans durch die katholischen Länder Portugal und Spanien. Aus berechtigter Sorge, das Land könnte in koloniale Abhängigkeit geraten, beschloss der Shogun Tokugawa Leyasu (1542-1616), das Land abzuschließen (27.01.1614: Verordnung gegen die Christenbande).

Deshima, Stich von Arnoldus Montanus 1669

Diese Politik der letzten Shogun-Dynastie Tokugawa-Bakufu endete erst 1867 und führte zu einer 250jährigen Friedensperiode, in der sich die Samurai von Kriegern zu Gelehrten wandelten. Im Jahre 1639 wurden die Portugiesen dann endgültig auch von Deshima vertrieben. Den Holländern, die seit 1609 eine Faktorei in Hirado unterhielten, wurde die Insel nun ab 1641 als neuer und einziger Handelsplatz zugewiesen. Sie erhielten als Einzige das Privileg, weiter mit den Japanern Handel zu treiben, da sie nicht nur anderen Glaubens waren, sondern auch bei der Niederschlagung der Portugiesen halfen. Die Insel war mit einem Bretterzaun umgeben und durch eine kleine Brücke mit dem Festland verbunden. Die Holländer durften nur mit Genehmigung die Insel verlassen. Deshima wurde 1904 bei Bauarbeiten im Hafen abgerissen und der Stadt Nagasaki hinzugefügt. Für die Erforschung der Pflanzenwelt Japans war die Insel der einzige Zugang zum Land und so traten eine Reihe bedeutender Gärtner, Botaniker und Naturforscher in holländische Dienste (Holländische Ost-Indische Kompagnie). Damit gab es aber auch ein Erstverwertungsrecht der Ergebnisse für die Niederländer. Auf Deshima weilten (mit Angabe der Zeit des Aufenthaltes):

  • Willem ten Rhyne, niederländischer Arzt, 1674-1676
  • Andreas Cleyer, deutscher Arzt aus Kassel, 1682-84 und 1685-87 als Leiter zweier Handelsflotten
  • George Meister, späterer sächsisch-churfürstlicher Hofgärtner, 1682-84 und 1685-87 im Dienste von Dr. Cleyer
  • Engelbert Kaempfer, deutscher Arzt aus Lemgo, 1690-1692 als Oberchirurgus
  • Carl Peter Thunberg, schwedischer Naturforscher, 1775-1776 als Faktoreiarzt
  • Dr. Franz von Siebold, deutscher Arzt aus Würzburg, 1823-1829 als Faktoreiarzt und 1859-1862 als Forscher und Berater der japanischen Regierung.
Erste Hortensiennachrichten

Der churfürstlich – sächsische orientalische Lustgärtner George Meister (1653 – 1713)

Georg Meister: Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner, Titel, 1692

Sucht man in der Literatur nach dem ersten Beschreiber einer Hortensie, so wird auf den schwedischen Naturforscher Carl Peter Thunberg verwiesen, der die Pflanze 1784 Viburnum macrophylla benannte. Doch in Wirklichkeit gilt der Verdienst der Erstbeschreibung vermutlich schon fast 100 Jahre früher dem thüringisch-sächsischen Gärtner George Meister. Meister kam mit der Holländischen Ostindischen Kompanie 1677 nach Batavia (heute Djakarta) und legte dort für den hessischen Arzt und Justizrat Andreas Cleyer einen großen Garten mit Baumschule an. Als Leiter holländischer Handelsflotten reiste Cleyer in Begleitung Meisters 1682-1684 und 1685-1687 nach Japan.

George Meister war damit der 11. Deutsche, der japanischen Boden betrat und er sammelte dort Pflanzen und Samen. Als er 1687 von Batavia gen Amsterdam in See stach, hatte er die enorme Menge Saatgut von 500 verschiedenen Gewächsen, dazu lebende Pflanzen und umfangreiches Herbarmaterial im Gepäck. Seine Erlebnisse als Gärtner, verbunden mit der Beschreibung der kennengelernten Pflanzen, veröffentlichte er 1692 in Dresden in seinem Buch „Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner“. In seinem Abschnitt „Japponnische Baum-Schule“ beschreibt er ein Gehölz mit dem japanischen Namen „Fanna Nyfunschyn“.

Dazu schreibt er: “ oder, Tutae Mundae auf Portugiesisch genannt, die ganze Welt. Dieses ist eine Art von Schnee-Ballen, deren es hier in Jappon vielerlei Arten giebet, nämlich I. Art weiß, wie die in Europa, 2. ziegel-rot, gleich wie die zu Batavia. Die 3. ist gelb und die 4. schön himmel-blau. Welches außermaßen eine schöne Zierde in Lust-Gärten gibt.“. Es lässt sich vermuten, dass Meister entweder genau wie später Thunberg die Hortensie als Schneeball (Viburnum) beschrieb, oder beide, Viburnum und Hydrangea, zu einer Gattung zusammenfasste. Spätestens der Hinweis auf die himmelblaue Färbung weist deutlich auf Hortensien hin.
Wahrscheinlich sah Meister schon die oft in Gärten gepflanzte Hortensie, die Siebold später nach seiner japanischen Geliebten ‚Otaksa‘ nannte. In Dresden wurde George Meister 1689 in churfürstliche Dienste als Orientalischer Lustgärtner genommen und im Garten vor dem Pirnaischen Tor mit der Pflege der fremdländischen Gewächse betraut. Dazu kam 1692 die Aufsicht über Teile der Anlagen am Zwinger und 1699 der Türkische Garten. Bis zu seinem Tode behielt er sein Amt inne.

Engelbert Kaempfer (1651-1716)

Engelbert Kämpfer: Amoenitates exoticae, Titel, 1712

In Lemgo geboren, studierte er zuerst Philosophie und Geschichte in Danzig und nachfolgend Philosophie und Medizin in Thorn, Krakau und Königsberg.

Engelbert Kämpfer: Amoenitates exoticae, Irrtümliche Beschreibung der Hydrangea als Sambucus, S.854

Im Jahre 1681 wechselte er zur Akademie in das schwedische Uppsala. Nach umfangreichen Reisen vor allem durch Teile Russlands und Persiens fuhr er 1688 als Schiffsarzt mit der Niederländischen Ostindischen Kompanie nach Batavia. Von 1690 bis 1692 arbeitete er als Arzt auf der japanischen Handelsniederlassung der Niederländer Deshima vor Nagasaki. Da das Sammeln von Pflanzen durch die japanischen Behörden gestattet war und er auch an der Hofreise zum Shogun nach Edo teilnehmen durfte, konnte er stattliche Mengen an Pflanzen sammeln. Im Jahre 1694 kehrte er in das heimatliche Lemgo zurück. Dort arbeitete er seine Sammlungen auf und veröffentlichte sein Werk „Amoenitates Exoticae“(Schönheiten des Auslandes). Kaempfer wurde in Deutschland anfangs kaum wahrgenommen. Große Teile seines Nachlasses wurden 1723 und 1725 vom Leibarzt des englischen Königs und leidenschaftlichen Sammlers Sir Hans Sloane (1660-1753) angekauft, übersetzt und veröffentlicht. Erst nach englischen, holländischen und französischen Ausgaben erschienen seine Schriften auch in Deutsch. Zu seinen vielen botanischen Leistungen gehört unter anderem die erste detaillierte Beschreibung des Ginkgo, eines bis dahin als ausgestorben geltenden Baumes. Auch Hortensien beschrieb Engelbert Kaempfer, ordnete diese aber irrtümlich in die Gattung Sambucus (Holunder) ein.

Engelbert Kämpfer: Herbar von Hydrangea serrata als Sambucus rosea (Te Mariqua) beschrieben, Niedeländisches Nationalherbarium Leiden

An der japanischen Beschreibung, die wir später auch bei Siebold finden, ist dies aber erkennbar: „Adsai“ (bei Siebold „Azisai“). Der Name steht für eine tellerförmige Gartenhortensie (H. macrophylla). Im Nationalherbarium der Niederlande in Leiden gibt es ein Herbarblatt, welches wohl Engelbert Kaempfer zugeordnet werden kann. In der rechten Ecke oben findet sich der Hinweis „Te Mariqua“, dazu das Kürzel „Kaempf. 854“.

Tatsächlich beschreibt er auf Seite 854 im zweiten Absatz seines Werkes „Amoenitates Exoticae“ eine Hortensie mit dem japanischen Namen „Te Mariqua“ als Sambucus rosea. Dabei handelt es sich um die heutige Hydrangea serrata (Thunb.)Ser.

Der schwedische Naturforscher Carl Peter Thunberg (1743 – 1828)

Bis heute wird Carl Peter Thunberg die Erstbeschreibung der Hortensien zugeschrieben, auch wenn er diese irrtümlich als Viburnum (Schneeball) benannte. Offensichtlich hatten aber Engelbert Kaempfer und der sächsische Gärtner George Meister diese Pflanze schon weit früher entdeckt. Während Meister die Hortensien ebenfalls als Schneeball bezeichnete, schrieb sie Kaempfer der Gattung Sambucus (Holunder) zu. Allerdings nutzte der schwedische Naturforscher Thunberg bereits die von seinem Lehrer und Landsmann Carl von Linné (1707-1778) geschaffene, heute allgemeingültige Nomenklatur der Pflanzen.

Nach dem Studium der Medizin und Naturphilosophie an der Universität Uppsala und nachfolgender Dissertation als Schüler Linnés reiste er im Dezember 1771 als Schiffschirurg auf einem Kompanie-Schiff der Niederländischen Ostindien-Kompanie. Er hatte den Auftrag, in den überseeischen Kolonien für den botanischen Garten Leiden Pflanzen zu sammeln. Nach längerem Sammelaufenthalt in Südafrika erreichte er 1775 Batavia und trat bereits wenige Monate später im August des gleichen Jahres eine Stelle als Chirurg auf Deshima, der künstlichen Insel vor Nagasaki, an. Zwar endete Thunbergs Dienstzeit in Japan bereits im November 1776, doch durch die Bekanntschaft zu japanischen Dolmetschern und Naturforschern und durch die Teilnahme an einer Hofreise nach Edo konnte er eine Vielzahl Pflanzen und Tiere sammeln und beschreiben.

Carl Peter Thunberg: Flora Japonica, Titel, 1784

Nach Europa zurückgekehrt, wurde er 1784 zum Professor für Medizin und Naturphilosophie an die Universität Uppsala berufen. Im gleichen Jahr veröffentlichte er in Leipzig seine „Flora Japonica“. Darin führte er etwa 1000, davon 300 unbekannte Species auf. Carl Peter Thunberg beschrieb die Hortensienarten Hydrangea involucrata Siebold (syn. H. cuspidata(Thunb.)Miq.), Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray)Ser. als Viburnum macrophyllum und Hydrangea serrata (Thunb.)Ser. als Viburnum serratum. Im Niederländischen Nationalherbarium in Leiden liegen einige originale Herbarbelege von ihm.

Carl Peter Thunberg: Herbar von Hydrangea serrata als Viburnum serratum beschrieben, Niederländisches Nationalherbarium Leiden

Darauf ist die ursprünglich irrtümliche Benennung unter der Gattung Viburnum sehr gut nachzuvollziehen. Charles Seringe schaffte im Jahre 1830 Ordnung, indem er von Smith den Gattungsnamen und von Thunberg den Artnamen entlieh und beides zu „Hydrangea macrophylla“ zusammenfügte. Damit war der heute gültige Name der Gartenhortensie geboren. Selbst Dr. Franz von Siebold und seine Mitarbeiter nutzten ein halbes Jahrhundert später anfangs noch den Gattungsbegriff Viburnum.

Carl Peter Thunberg: Herbar von Hydrangea serrata als Viburnum serratum beschrieben, Detail Thunbergs Beschriftung, Niederländisches Nationalherbarium Leiden

Philipp Balthasar Franz von Siebold (1796-1866)

Zu Recht gilt Siebold als eine der bedeutendsten deutschen Forscherpersönlichkeiten. Sein hier behandelter Beitrag zur Einführung der Hortensie nach Europa ist nur ein Bruchteil seines umfangreichen Wirkens. Siebold stammt aus einer bekannten Würzburger Arztfamilie, studierte dort auch Medizin und gelangte durch Fürsprache seines väterlichen Freundes und Präsidenten der Leopoldina, Christian Gottfried Nees von Esenbeck, in holländische Dienste.

Mit der Niederländischen Ostindischen Kompanie kam er 1823 nach Batavia und noch im selben Jahr nach Japan. Auf der künstlichen Insel Deshima war er nun Faktoreiarzt, gleichfalls aber auch mit naturkundlichen Untersuchungen beauftragt. Mit dem Ruf eines Wunderarztes durfte er bald die Insel für Tagesexkursionen zum Studium der Tier- und Pflanzenwelt verlassen. Er kaufte sich ein Haus im Tal von Narutaki, welches zu einer „Universität“ für seine japanischen Freunde wurde. Dort und auch um sein Haus auf Deshima legte Siebold einen botanischen Garten an. Darin wuchsen bald 1400 Species.

Wirtschaftlich wurde die Entwicklung eines Transportverfahrens für Teesamen (in eisenhaltiger Tonerde) bedeutungsvoll, war es doch die Grundlage zur Anlage umfangreicher Plantagen auf Java. Siebolds Ziel war es, so viele unbekannte japanische Pflanzen wie möglich zu identifizieren und sie nach Linneschem System zu beschreiben. Seinen japanischen Schülern gab er spezielle Aufgaben auf, die zur stetigen Mehrung seines Pflanzenbestandes führten. Intensiv nutzte er die Hofreise nach Edo.

Hydrangea serrata ‚Thunbergii‘, von Siebold beschrieben als H. Thunbergii

Sein Forscherdrang und Einfallsreichtum wird in einer kleinen Geschichte deutlich: Siebold, unter Hausarrest stehend und nur wenige Wochen vor der Abreise, will unbedingt seine Pflanzensammlung komplettieren. Er beantragt die Haltung einer Milchziege und seine Schüler schmuggeln im Futter wertvolle Pflanzen. Als er wegen eines Spionageverdachtes 1829 Japan verlassen musste, hatte er 1200 Pflanzenarten (davon überlebten 260 die Seereise) und 12.000 Herbarbelege im Gepäck. Ein Jahr später war Siebold dann wieder in Holland und erhielt von König Wilhelm I. unbegrenzten Urlaub zum Aufarbeiten seiner Sammlungen.

Seine erste, 1829 mit seinem Zeichner K.H.de Villeneuve nach den Niederlanden geschickte Pflanzensendung, ging vertragsgemäß an den Botanischen Garten Leiden. Hortensien waren nicht dabei. Seine zweite Lieferung kam über Antwerpen nach Brüssel (getrocknete Pflanzen) und nach Gent (lebende Pflanzen). Zu den noch lebenden 260 Pflanzen gehörte eine Hydrangea serrata (Thunb.)Seringe ‚Rosalba‘ (Siebolds Bezeichnung: H. japonica flor. roseis). Durch die Unruhen, die zur Abspaltung Belgiens führten, konnte er zwar sein Herbar nach Altholland bringen, die Pflanzen in Gent waren jedoch ausgepflanzt und mussten dort verbleiben.

Erst 1841, auf Betreiben des Gärtners Donckelaer vom Pflanzengarten Leuven, erhielt Siebold je ein Exemplar seiner Pflanzen zurück. Im Jahre 1843 kam eine weitere Ladung japanischer Pflanzen aus dem Botanischen Garten von Buitenzorg auf Java in Leiden an. Unter den gerade 28 Taxa, die die Seereise überlebten, war dieses Mal eine tellerförmig blühende Hydrangea macrophylla (Thunb.)Seringe, die Siebold als H. asisaii bezeichnet hatte. Die meisten der weiter unten zusammengefassten, und von Siebold beschriebenen Hortensien stammen jedoch erst von seiner zweiten Reise von 1859 bis 1861.

Da war nun endlich auch die berühmte „Blaue Blume“, die ‚Otaksa‘ dabei. Da Siebold verpflichtet war, die Sammlungen zuerst in Holland auszuwerten, kaufte er sich ein Haus, von ihm „Nippon“ genannt, in der Nähe von Leiden. Dort gründete er den Jardin d‘ Acclimation, wo er seine Pflanzenschätze aufpflanzte. Vor allem die blau blühende Hortensie ‚Otaksa‘ war dort eine Sensation. Botanisch wichtig war seine nach der ersten Reise begonnene Zusammenarbeit mit Joseph Gerhard Zuccarini (1797-1848). Dieser war Konservator des Botanischen Gartens München, ein talentierter Pflanzensystematiker und Schüler von Siebolds Nestor Nees von Esenbeck. Zuccarini arbeitete die mitgebrachten und durch Sendungen Heinrich Bürgers ergänzten Sammlungen auf und ermöglichte die Herausgabe der „Flora Japonica“.

Darin beschreiben Siebold und Zuccarini folgende Hortensien: Hydrangea Azisai (heute: H. macrophylla ‚Yodogawa‘), H. Otaksa (heute: H. macrophylla’Otaksa‘), H .japonica (heute: H. serrata japonica), H. petiolaris (heute: H. anomala subsp. petiolaris), H. belzonii (heute: H. serrata ‚Belzonii‘), H. acuminata (heute: H. serrata’Acuminata‘), H. thunbergii (heute: H. serrata’Thunbergii‘), H. stellata (heute: H. serrata ‚Stellata‘), H. cordifolia (heute: H. anomala subsp. petiolaris ‚Cordifolia‘), H. virens (heute: H. scandens subsp. scandens), H. paniculata, H. hirta, H. bracteata (heute: H. anomala subsp. petiolaris) und H. involucrata. Damit waren die meisten heute bekannten ostasiatischen Hortensienarten entdeckt.

Franz von Siebold: Herbar von H. scandens subsp. scandens als Viburnum virens beschrieben. Auch Siebold benutze teilweise die irrtümliche Bezeichnung als Schneeball, Niederländisches Nationalherbarium Leiden

Eine Reihe von ihnen werden heute nicht mehr als eigene Arten, sondern als Sorten oder Unterarten geführt. Im Niederländischen Nationalherbarium in Leiden lagert ein großer Teil seiner originalen Belege. Tatsächlich können einige Zeichnungen aus der „Flora Japonica“ eindeutig dem als Vorlage dienenden Herbarblatt zugeordnet werden. Dort, damals noch Reichsherbarium genannt, war Karl Ludwig Blume (1796-1862) der Leiter. Vor 1826 war Blume noch Direktor des 1817 auf Java gegründeten Botanischen Gartens in Buitenzorg. Daher war Blume nicht nur für Siebolds weitere Forschungen ein guter Partner.

Weil die Veröffentlichung von Siebolds Werken sehr hoher Geldsummen bedurfte, gründeten beide gemeinsam einen „Aktien-Verein zur Einfuhr von Zier- und Nutzpflanzen aus Japan, Holland und Österreich“. Siebolds Schüler und Mitarbeiter in Japan und auf Java unterstützten das Unternehmen maßgeblich. Auf Grund des Erfolges wurde 1842 die „Gesellschaft zur Förderung des Gartenbaus durch Einfuhr und Anbau japanischer und ostindischer Pflanzen“ gegründet. So gelangte eine Vielzahl neuer Pflanzen in die Gärten Europas. Im Hortus Botanicus Leiden, der 1587 als Hort der Denk- und Glaubensfreiheit geschaffen wurde, sind heute noch originale von Siebold eingeführte Pflanzen zu finden.

Siebolds Helfer

Siebolds Sammeleifer war riesig und umfasste bei weitem nicht nur die Botanik, sondern auch die Zoologie, Mineralogie, Ethnologie und manches mehr. Dies konnte er nicht allein bewältigen. Fünf Helfer, die auch für das Sammeln und Bearbeiten der Hortensien zuständig waren, seien hier genannt:

Heinrich Bürger (1804/06-1858)

Bürger studierte in Göttingen Mathematik und Astronomie. In Batavia wurde er dann 1824/25 zum Apotheker ausgebildet. Noch im selben Jahr reiste er nach Deshima, um als Assistent Siebolds für naturkundliche Untersuchungen zu wirken. Im Jahre 1828 wurde er dann Siebolds Nachfolger auf diesem Gebiet und sammelte vor allem Pflanzen und Fische. Im Nationalherbarium der Niederlande gibt es eine große Anzahl durch Heinrich Bürger angefertigte Hortensienherbarblätter.

Otto Gottlieb Johann Mohnike (1814-1887)

Otto Gottlieb Johann Mohnike studierte an den Universitäten Greifswald, Breslau und Berlin Medizin. Im Jahre 1844 trat er als Arzt in den Dienst der Niederländisch-Ostindischen Armee ein und wurde nach Batavia auf Java gesandt. Von 1848 bis 1851 war er an der niederländischen Faktorei auf Deshima in Japan tätig. Berühmt wurde er mit der Durchführung der ersten erfolgreichen flächendeckenden Pockenschutzimpfung in Japan. Später hielt er sich als Naturforscher u.a. auf Java auf. Ab 1869 ließ sich Otto Mohnike als Arzt in Bonn nieder. Im Niederländischen Nationalherbarium befinden sich von ihm erarbeitete Hortensienbelege. Diese wurden in Batavia auf Java angefertigt. Da diese nicht datiert sind, ist unklar, ob es sich u.U. um Sammelgut aus Siebolds zweiter Japanreise handelt.

Ito Keisuke (1803-1901)

Den Naturforscher lernte Siebold auf seiner Hofreise nach Edo kennen. Keisuke erwartete Siebold in Miya mit einem stattlichen Sortiment seltener Gewächse. Siebold meinte, dass ohne diesem die botanische Ausbeute der Hofreise äußerst mager gewesen wäre. Ito Keisuke zog extra nach Nagasaki und wurde für Siebold ein unentbehrlicher Helfer beim Ordnen, Systematisieren und Bestimmen der Pflanzen.

Wichtig war auch, dass er Siebold Informationen über Standorte und Blütezeit der Pflanzen geben konnte. Ito Keisuke gilt als Vater der japanischen Botanik und wurde 1881 als Professor an der Universität von Tokyo berufen. Im Niederländischen Nationalherbarium gibt es ein umfangreiches und kunstvoll gestaltetes Herbarium von Keisuke (auch Keiske genannt), welches auch einzelne Hortensien enthält.

Jacques Pierot (1812-41)

Der Botaniker Pierot setzte den verfallenen Botanischen Garten Buitenzorg auf Batavia wieder in Stand. Dort langten von Siebolds Schülern in Japan gesammelte Pflanzen an, die er weiter nach Holland sandte. Privat kaufte er sich eine Sammlung getrockneter Pflanzen, die wohl Heinrich Bürger gesammelt hatte, und arbeitete sie auf. Dabei waren auch Hortensien. Die heute im Nationalherbarium Leiden liegenden Herbare von Pierot sind gestalterisch sehr sorgsam gearbeitet. Auf Wunsch Siebolds sollte Jacques Pierot 1840 nach Japan reisen, geriet aber bei Hongkong in einen Taifun und erlitt Schiffbruch.

CJ Textor (1816-x)

Textor wurde im Juni 1843 nach Japan geschickt, um für Siebolds Gesellschaft Pflanzen zu sammeln. In nur zwei Monaten hatte er 333 Gattungen und Varietäten in 500 Exemplaren an Pflanzen und Zwiebeln sowie 100 Gattungen als Samen zusammen. Der Transport stand aber unter keinem guten Stern. Das Schiff geriet in einen Taifun, so dass die Ladung erst 1844 in Batavia ankam. Dort lagerte sie wegen eines Verwaltungsfehlers mehrere Monate in einem Packhaus. Als die Pflanzen dann endlich im April 1845 Holland erreichten, waren nur noch 29 Taxa am Leben. Darunter befanden sich keine Hortensien. Allerdings ist im Leidener Nationalherbarium eine größere Anzahl Hortensienherbare von Textor zu finden.

Siebolds blaue Hortensie - Die Geschichte einer Liebe

Einen besonderer, eng mit einer Hortensie verbundener Lebensabschnitt Siebolds, soll hier eingefügt werden. Gemeint ist die Namensgebung der Hortensiensorte Hydrangea macrophylla ‚Otaksa‘, einer Pflanze, die vermutlich aus China stammt, aber in Japans Gärten Verbreitung fand. Japan ist seit dem nicht nur das „Land der aufgehenden Sonne“, sondern auch das „Land der blauen Hortensie“. Nach der Einfuhr nach Europa durch Dr. Franz von Siebold in Verbindung mit seiner zweiten Japanreise von 1859 bis 1861, war sie bis zum Beginn der ersten europäischen Züchtungen anfangs des 20. Jahrhunderts die wichtigste Sorte im Zierpflanzenbau. Noch heute ist ihre Winterhärte und bei richtiger Erde ihre himmelblaue Blütenfarbe unübertroffen.

Hydrangea Otaksa aus Siebolds „Flora Japonica“

Der Arzt Siebold hatte sich, wie oben schon berichtet, durch Operation des grauen Stars den Ruf eines Wunderheilers erworben. Immer öfter wurde er daher zu kranken Japanern gerufen und durfte die Begrenztheit der Insel Deshima verlassen. Im Winter 1823 wird Siebold zum Hausbesuch zur angesehenen Familie Kusomoto gebeten. Die Mutter, Frau Sahei, hatte hohes Fieber und die Tochter versuchte, ihr mit kalten Umschlägen Linderung zu verschaffen. Dem jungen, damals 27-jährigen Arzt blieb die Schönheit der 16-jährigen Tochter, das liebliche ovale Gesicht von glänzend schwarzem Haar umrahmt und die rehbraunen mandelförmigen Augen, nicht verborgen. Beide sind sich bald herzlich zugetan. Doch Frauen war das Betreten von Deshima streng verboten. Einzige Ausnahme waren Kurtisanen.

Otaki Kusumoto, Siebolds japanische Frau auf Zeit

Nach langer Überlegung und gründlicher Beratung mit ihren Eltern überwindet sie sich zu dem Schritt, sich den roten Stempel, als polizeiliches Zeichen für Kurtisanen, in den Ausweis drucken zu lassen. So konnte nun im Herbst 1823 Otaki Kusomoto zu Siebold auf die Insel ziehen und mit ihm eine Ehe auf Zeit eingehen. Otaki, die auch Sonogi gerufen wurde, war heiter und klug. Sie lernte Siebold Japanisch und er schrieb an seinen Onkel Lotz, dass er sie nicht mit einer Europäerin vertauschen möchte. Ein buddhistischer Priester sandte eine blaue Hortensie. Diese pflanzt Siebold in seinen dortigen botanischen Garten und nennt sie nach seiner Geliebten ‚Otaksa‘.

Im Niederländischen Nationalherbarium finden sich viele von Siebold angefertigte Belege seiner Hortensien. Auf wunderbare Weise kann man auf diesen Herbarblättern die Geschichte nachvollziehen. Offensichtlich überlegte er, ob er die Pflanze nach dem richtigen Vornamen Otaki oder nach dem Rufnamen Sonogi nennen sollte. Auf sein Herbar schrieb er beide Namen.

Heinrich Bürger: Herbar von Hydrangea macrophylla ‚Otaksa‘ als H. Otaksa beschrieben, Niederländisches Nationalherbarium Leiden

Im Mai 1827 gebar Otaki ihrem Mann eine Tochter, die sie Oine nannten. Zwei Jahre später musste Siebold, ohne Frau und Kind mitnehmen zu dürfen, das Land verlassen. Er beauftragte seinen Mitarbeiter Heinrich Bürger, sich um seine zurückbleibende Familie zu kümmern und übergab ihm die dazu nötigen finanziellen Mittel. In der schwierigen Zeit vorher, als Siebold unter Spionageverdacht stand, wie auch bei der Sicherung und Schiffsverladung seiner Sammlungen, stand Otaki ihm treu zur Seite. Schon viele Jahre nach der Rückkehr nach Europa heiratete Siebold 1845 Helene von Gagern. Auch Otaki ging noch zweimal eine Ehe ein. Bei Siebolds zweitem Japanaufenthalt trafen sie sich 1859 wieder. Seine Tochter Oine war inzwischen eine angesehene Ärztin und Geburtshelferin. Nun nach seiner Rückkehr arbeitet sie für ihn als Dolmetscherin. Otaki lebte von 1807 bis 1865. Die Spuren von Siebolds japanischer Familie sind bis heute nachweisbar.

Frühe Einfuhren aus China

Auch wenn die ersten Hortensien in Japan entdeckt und beschrieben wurden, die ersten lebenden Pflanzen, die in Europa ankamen, waren aus China. Dabei ist offen, ob sie zuerst in englischem oder französischem Boden wurzelten. Auch die erste nach Deutschland gebrachte Pflanze dieser Gattung war mit hoher Sicherheit chinesischen Ursprungs.

Sir Joseph Banks (1743 – 1820)

Die erste Hortensiensorte, die nach offizieller Lesart Europa erreichte, wurde 1788 oder 1789 durch Banks eingeführt und trägt auch seinen Namen. Schon mit 13 Jahren für Botanik begeistert, studierte Joseph Banks zwischen 1760 und 1763 an der Universität Oxford Botanik. Durch sein väterliches Erbe gehörte er schon mit 21 zu den reichsten Männern Englands, wodurch er 1768 Captain James Cooks Weltumseglung nicht nur maßgeblich finanzierte, sondern auch selbst teilnehmen konnte. Daher verband ihn eine besondere Beziehung zur Flora Australiens.

Hydrangea hortensis in William Curtis „The Botanical Magazine“ von 1799. Später wurde die dargestellte Sorte H. macrophylla ‚Sir Joseph Banks‘ genannt

Immerhin brachte er Herbarbelege von 1300 neuen Arten und 110 neuen Gattungen mit. Im Jahre 1771 zurückgekehrt, wurde Banks ein Jahr später von König Georg III. zum inoffiziellen Direktor des Kew Garden bestimmt. Er überzeugte den botanisch interessierten Monarchen aus dem Hause Hannover, dass er in seinem königlichen Garten die größte Pflanzenvielfalt der Welt haben sollte. Banks schickte ausgebildete Botaniker auf Pflanzensuche in die Kronkolonien und wandelte Kew in einen auf Forschung ausgerichteten botanischen Garten. Der Transfer wirtschaftlich bedeutender Pflanzen zwischen den Kolonien trug zum Aufstieg Großbritanniens zur Weltmacht bei.

Von 1788 bis 1820 war er Präsident der Royal Society. Dank Sir Joseph Banks wurden 7000 neue Arten eingeführt. Unsere Hortensiensorte war, wenn auch eine sehr schöne, doch nur eine Randnotiz. Aber sie war auch wichtig für die Nomenklatur: Auf der Grundlage von Banks‘ Hortensie vergab 1791 Sir James Smith, der Präsident der Linnè-Gesellschaft den Namen Hydrangea hortensis. Für die gleiche Art gab es aber seit 1784, von Thunberg beschrieben, den Namen Viburnum macrophyllum. Durch die Form der Blüten wurden die Hortensien fälschlicherweise den Schneebällen (Viburnum) zugeordnet. Charles Seringe schaffte 1830 Ordnung, indem er von Smith den Gattungsnamen und von Thunberg den Artnamen entlieh und beides zu „Hydrangea macrophylla“ zusammenfügte. Damit war der heute gültige Name geboren.

Philibert Commerson (1727 – 1773)

Wie oben beschrieben, wird heute die Einfuhr einer ersten lebenden Hortensie auf 1789 datiert und Sir Joseph Banks zugesprochen. Aber die Vermutung liegt nahe, dass die Hortensie bevor sie nach England kam, bereits in Frankreich wurzelte und dass eine abenteuerliche Liebesgeschichte der Pflanze zu ihrem Namen verhalf. In den Jahren 1766 bis 1769 fand unter Leitung des Mathematikers und Navigators Louis – Antoine de Bongainville eine der Forschung dienende Weltumsegelung statt.

Mit an Bord war der französische Arzt, Hofgärtner, Botaniker und Pflanzenjäger Philibert Commerson (1727 – 1773). Er soll die Hortensie 1767 in China entdeckt haben. Nach anderen Angaben war Commerson jedoch nie in China. In anderen Quellen wird beschrieben, dass er ein Exemplar im April/Mai 1771 auf der Insel Bourbon, ein weiteres im Februar 1773 bei Ville Bague auf der `Isle de France`, dem heutigen Mauritius gefunden hat. Es sei anzunehmen, dass die Hortensie zwischen 1768 und 1771 aus chinesischen Gärten nach den Mascarenen und damit in seine Hände gelangte. Im Genfer Herbar sind einige zum Teil von ihm handschriftlich etikettierte Pflanzen aufbewahrt.

Darauf vermerkt er, dass diese von den Eingeborenen als japanische bzw. chinesische Rose bezeichnet werden. Wie es auch sei, begleitet ist diese „Pflanzenjagd“ mit einer herrlichen Liebesgeschichte. Mit an Bord des Schiffes, als Commersons Assistent, war Jean Baret. In Wirklichkeit steckte in den Kleidern eines Mannes, Jeanne Baret, eine junge Frau. Während eines Aufenthaltes der Reisenden auf Mallicollo, einer Insel der neuen Hebriden, entdeckten Barets Reisebegleiter, dass sich ein einheimischer Häuptling sehr zu ihm (ihr) hingezogen fühlte und ihn (sie) gar entführen wollte. Seeleute kamen nun zu Hilfe und es gab ein wildes Getümmel. Die Kleider Jean`s kamen in Unordnung und es wurde sichtbar, was nicht gesehen werden sollte.

Damit war das Geheimnis entdeckt. Bouganville schrieb dazu:“ Commersons Diener gestand mir unter Tränen, er sei eine Frau. Sie habe im Heimathafen Rochefort ihren Herrn getäuscht, als sie sich in Männerkleidern an Bord begeben habe.“ Vielleicht aufgrund dieser Begebenheit blieb am Ende der Weltreise Commerson in „freiwilliger Verbannung“ und lebte mit seiner Geliebten auf Mauritius, wo er 1773 starb. Davor, zwischen 1771 und 1773 sandte er Herbarexemplare von Gartenformen der Hortensie nach Genf und Paris. Ursprünglich nannte er diese `Peautia coelestina´. Dabei soll er sich auf die Frau seines Freundes und Uhrmachers Nicole-Reine Lepaute in Paris bezogen haben, die zugleich eine bekannte Astronomin war (Peautia – Lepaute; „Coelestina“ von „coelestinum“, übersetzt „himmelblau“). Kurze Zeit später nannte Commerson selbst die Pflanze in „Hortensia“ um.

Warum tat er das? Er selbst schreibt auf einem beigefügten Pflanzenetikett: “ Himmlische Peautia – wurde sie zuerst von uns genannt – aber besser würde man sie Hortensia nennen. – Aus dem Garten von Bourbon, April und Mai 1771″. Viele vermuten, dass es eine Ehrung der Astronomin sein sollte, die gemeinsam mit Clairaut die Wiederkehr des Kometen Halley berechnete. Andere meinen, Commerson nannte die Pflanze nach seiner Geliebten. Doch beide hießen offensichtlich nicht „Hortensia“. T. Whittle und später auch A. Bärtels schreiben nun – und das könnte des Rätsels Lösung sein – Jean änderte ihren Namen in Hortense, blieb bei ihrem Herrn und betreute ihn bis zu seinem Tode. Danach kehrte sie heim nach Paris und heiratete einen Uhrmacher.

Da bleiben nun zwei Fragen: War dieser Uhrmacher Lepaute und wurde Hortense vielleicht seine zweite Frau? Oder ist die Berufsgleichheit eher Zufall? Denkbar wird diese These durch einen Hinweis von F. Kammerer. Zum einen war der Uhrmacher Commersons Freund, zum anderen unterhielt er Handelsbeziehungen zu China. Abschließend sei zu Commerson vermerkt, dass er bereits 1756, weit vor seiner Weltreise, den Botanischen Garten von Chatillon gründete. Antonie-Laurent de Jussieu ordnete ihm 1789 in ihrem ‚Genera plantarum‘ (Jussieu’schen Pflanzensystem) die Entdeckung von 1000 neuen Pflanzengattungen zu. Die Hortensie war nur eine davon. Der spätere Hofgärtner in Pillnitz, Carl Adolph Terscheck, meinte, Lepaute hätte schon vor Sir Joseph Banks‘ Import nach England die Hortensie nach Frankreich eingeführt. Bei Banks‘, wie auch bei Commersons bzw. Lepautes Hortensie kann es sich durchaus um die gleiche Sorte gehandelt haben, die Hydrangea macrophylla ‚Sir Joseph Banks‘.

Die Pillnitzer Hortensie - ein besonderes Pflanzenunicum

Die Pillnitzer Hortensie war mit großer Sicherheit die erste dieser Gattung auf deutschem Boden. Carl Adolph Terscheck (1782 – 1869) war in sehr jungen Jahren, 1795, Gehilfe im Park Monceau bei Paris. Fast täglich besuchte der Uhrenhändler Charles (oder Charlos) den Garten. Dieser vermögende Pflanzenfreund sollte nicht nur selbst eine große Sammlung besitzen, auch ließ er sich Pflanzen aus Fernost schicken. In einer solchen Sendung befand sich eine besonders schön blühende, eine Hortensie.

Pillnitzer Hortensie, historische Darstellung

Terscheck bat sich einen Steckling aus und kultivierte diesen im Park Monceau zu einer ansehnlichen Pflanze. In einer anderen Quelle wird beschrieben, dass Terscheck sich von dem Uhrenhändler ein Herbarexemplar erbat, dieses aber bewurzelte. Terscheck verließ Paris gen London, nicht ohne seine Hortensie zu seinem Vater nach Eythra bei Leipzig zu schicken. Dieser war Schlossgärtner beim ehemaligen Kabinettsminister von Senft – Pilsach. Als Terscheck nach Beendigung seiner Wanderjahre Gärtner im Dresdner Palaisgarten wurde, nahm er die Hortensie mit. Die intensiv blauen Blütenbälle sorgten für Aufsehen. Jedoch soll es Probleme mit der Frosthärte gegeben haben.

Die Wanderung sollte aber noch längst nicht zu Ende sein. Im Jahre 1830 wurde die Pflanze nach Berlin verkauft. Der Kabinettsminister Graf von Einsiedel hatte sehr großen Gefallen an der Hortensie gefunden und holte sie zurück nach Dresden, wieder in das Eigentum Terschecks. Dieser übergab bei seiner Pensionierung 1865 den Besitz an seinen Neffen Otto Terscheck, der Verwalter der fiskalischen Weinberge in Pillnitz war. Geringe Pflege und schlechte Überwinterung setzten nun der Pflanze zu. Schon nach drei Jahren, 1868, musste die Pflanze durch den Tod Otto Terschecks wieder wandern. Carl Adolph Terscheck – nun schon 88 Jahre alt – bat ein Jahr vor seinem Tod seinen Nachfolger im Amt, Hofgärtner Wentzel, die Pflanze in seine Obhut zu nehmen. Mit königlicher Genehmigung wurde die Pflanze offiziell in die Pillnitzer Pflanzensammlung aufgenommen und blühte erstmals 1869 wieder.

So konnte der Hofgärtner Wentzel, als Carl Adolph Terscheck am 19. Juni desselben Jahres starb, ihm einen Strauß der schönen Blumen in seinen Sarg mitgeben. Immerhin hatte die Pflanze den alten Gärtner nun 74 Jahre begleitet. Weiter wird berichtet, dass 1873 König Johann bis spät in den Herbst in ihrem Schatten saß und beim Anschauen der unaussprechlich reichen und schönen blauen Blütenfülle seine Schmerzen vergaß.

Damals – um 1885 – hatte die Pflanze einen Umfang von 9,5 m, einen Durchmesser von 3,5 m und eine Höhe von 1,75 m (Höhe mit Pflanzkübel 2,5 m). Diese einmalige Hortensie sollte noch beinahe 100 Jahre weiterleben. Vermutlich ist die Pflanze Mitte der 70-iger Jahre, etwa im Alter von 180 Jahren, eingegangen. Man spricht von zu nasser Überwinterung, doch genaue Angaben fehlen. Die genaue Sorte ist nicht bekannt. Da aber auch berichtet wurde, dass sie je nach Kultivierung rosa oder hellblau blühte, weist vieles auf ‚Sir Joseph Banks‘ hin. Auch wird im Jahre 1804 im Katalog des Pariser Jardin des Plantes eine Hydrangea hortensis aufgeführt.

Pillnitzer Hortensie, Foto von etwa 1950

Bei E. Bretschneider finden wir dazu den Verweis auf einen Import von China nach England (1790). Es handelt sich also ziemlich sicher um einen Nachkommen von Banks‘ Hortensie. Andererseits kultivierte, wie im voran gegangenen Abschnitt dargestellt, der französische Botaniker Philibert Commerson (1727 – 1773) auf Mauritius Hortensien. Eine Pflanze schickte er nach Paris in den `Jardin des Plantes`. Dort beschrieb sie Lamarck als `Hortensia opuloides`. „Dem opulus ähnlich“ weist auf den Schneeball hin. Der Name jedoch hatte keinen Bestand. Selbst wenn es sich in Paris nicht um Banks‘, sondern um Commersons Pflanze handelte, so könnte es doch die gleiche Sorte gewesen sein, denn sie war eine in China weit verbreitete Gartenform.

Deutlich nach der ersten eingeführten Ziersorte, wurden in China drei Arten der Hortensie entdeckt und beschrieben.

Francis Buchanan-Hamilton (1762-1829)

Francis Buchanan-Hamilton wurde im schottischen Callander geboren und studierte in Edinburgh Medizin. Ab 1794 diente er der britischen Ostindien-Kompanie als Kolonialarzt in Bengalen. Später war er dem Generalgouverneur von Indien unterstellt. Im Jahre 1814 wurde er kurz vor seiner Rückkehr nach Schottland für ein Jahr Direktor des Botanischen Gartens Kalkutta. Francis Buchanan-Hamilton beschrieb als Synonym die Raue Hortensie, heute Hydrangea aspera D.Don.

Nathaniel Wallich (1787-1847)

In Kopenhagen als Nathan Wolff geboren, studierte er dort Medizin und Botanik. Ab 1806 oder 1807 ging er als Arzt in die dänische Kolonie nach Bengalen. Im Dienste der britischen Ostindien-Kompanie war er von 1815 bis 1846 Superintendent des Botanischen Gartens im indischen Kalkutta. In seinem 1824 bis 1826 geschriebenen Werk „Tentamen Flora Nepalensis Illustratae“ beschreibt er zwei Hortensienarten: Hydrangea altissima Wall. (heute: H. anomala D.Don) und Hydrangea vestita Wall. (heute: H. heteromalla D.Don).

David Don (1799-1841)

David Don: Prodromus Florae Nepalensis, 1825

David Don wurde in Doo Hillock in Schottland geboren. Von 1822 bis 1841 war er Bibliothekar der Linné-Gesellschaft, außerdem von 1836 bis 1841 Professor für Botanik in London. Auf der Grundlage des Herbariums des Botanikers Aylmer Bourke Lambert und als dessen Bibliothekar, schuf er 1825 das Werk „Prodromus florae nepalensis“. Darin beschreibt er auf der Grundlage der Arbeiten der oben genannten Botaniker Francis Buchanan-Hamilton und Nathaniel Wallich drei Hortensienarten:
Hydrangea anomala D.Don
Hydrangea aspera D.Don
Hydrangea heteromalla D.Don

Wenn wir heute von der Entdeckung und Beschreibung der Hortensienarten durch die oben genannten Botaniker sprechen, dann ist das natürlich unsere europäische Sicht. Das es oftmals Europäer sind, denen der Ruhm der Beschreibung ostasiatischer Pflanzen zufällt, ist auf die weltweite Durchsetzung des Linne’schen Pflanzensystems zurückzuführen. China und Japan waren in der damaligen Zeit botanisch und gärtnerisch längst auf hohem Niveau. Die meisten ihrer heimischen Pflanzen waren gut beschrieben und mit Namen versehen. Für den Zierpflanzenbau verwertbare Gattungen wie die Hortensie waren umfangreich züchterisch bearbeitet. Die Selbstisolation der Japaner galt natürlich ebenso nur für die westlichen Mächte. Zwischen China und Japan gab es einen regen Pflanzenaustausch. Siebold berichtet, dass in der Nähe von Nagasaki, dem Handelsplatz der Chinesen, ein Pflanzengarten auf Kosten des Reiches unterhalten wurde, wo viele exotische, meist chinesische Arzneigewächse gepflegt wurden. Durch diese Einfuhren haben heute viele Artnamen die Bezeichnung „japonica“, obwohl sie eigentlich aus China stammen.

Zuschendorf im Juni 2011
Marion und Matthias Riedel

Literatur
  • Bretschneider, E.: History of European Botanical Discoveries, Leipzig, 1981, Reprint von 1898
  • Clauss, Brigitte: Hortensien, Berlin, 1961
  • Christenhusz, Maarten J.M.:Het huidige gebruik van de botanische introducties uit Japan in Europa via de Nederlanden door P.F.B. Von Siebold gedurende de periode 1829-1866 (Die heutige Verwendung der botanischen Einfuhren aus Japan in die Niederlande durch P.F.B. von Siebold während der Zeit von 1829 – 1866), Studienabschlußarbeit Biologie, Universität Utrecht, 2000
  • Don, David: Prodromus Florae Nepalensis, London, 1825
  • Gelderen, van C.J. und D.M.: Encyclopedia of Hydrangeas, Cambridge, 2004
  • Genschorek, Wolfgang: Im Land der aufgehenden Sonne, Leipzig, 1988
  • Kaempfer, Engelbert: Amoenitates exoticae, Lemgo, 1712
  • Kaempfer, Langsdorff, Siebold: Reisen in Nippon, Bearb. von Scurla, Herbert, Berlin, 1969
  • Kammeyer, Hans F.: Der Schlossgarten zu Dresden Pillnitz, Berlin, 1957
  • Kouwenhoven, Arlette: Siebold and Japan, Leiden, 2000
  • Maatsch, R.: Beitrag zur Einführungsgeschichte der Hortensie, in: Die Gartenwelt, 1940 – Mallet, Corinne: Hortensien, Stuttgart, 1995
  • Meister, George: Der Orientalisch-Indianische Kunst- und Lust-Gärtner, Dresden, 1692. – Siebert, A.: Der Pillnitzer Schlossgarten und seine zwei Pflanzen Unica, Gartenzeitung, 1885
  • Siebold, Philipp Franz von, Zuccarini, Joseph Gerhard: Flora Japonica Sectio Prima, Tafelband, 1870
  • Thunberg, Carl Peter: Flora Japonica, Leipzig, 1784
  • Zander, Handwörterbuch der Pflanzennamen, Stuttgart, 2000
  • Nationalherbarium der Niederlande, Leiden: Hortensienherbare von
  • Bürger, Heinrich
  • Kaempfer, Engelbert
  • Ito Keisuke
  • Maximowicz , Carl Johann
  • Mohnike , Otto Gottlieb Johann
  • Pierot , Jacques
  • Siebold, Philipp Franz von
  • Textor, CJ
  • Thunberg, Carl Peter