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Bauernhortensien

Werbung mit Erfolg

Alle sprechen über Bauernhortensien! Verbunden mit diesem Namen erlebt die Hortensie seit einigen Jahren eine Renaissance und wird immer beliebter. In großen bunten Gartenzeitschriften oder im Internet wird überall von der Hortensie der Bauern gesprochen und die Vorstellung üppig blühender Ballhortensien in Gärten auf dem Lande suggeriert. Dieses Bild regt an, diese Pflanzen will man haben!

Die Begrifflichkeit

Der Begriff „Bauernhortensie“ scheint, begleitend mit dem verstärkten Interesse an diesen Pflanzen, in den letzten Jahren in der Werbung geprägt worden zu sein. Eine genaue Definition des Begriffes gibt es nicht. Oft wird die Art Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. mit ihren vielen, gärtnerisch wertvollen Sorten, bekannt als Ball- und Tellerhortensien, darunter verstanden.

Mitunter wird der Begriff nur für die Ballhortensien verwendet. Andere beschreiben mit den Bauernhortensien auch Hydrangea arborescens L eine weitere Hortensien-Art. Sie meinen damit vor allem die beliebte Sorte ‚Annabelle‘, die besonders attraktiv durch den lang anhaltenden Flor der weißen Blütenbälle ist.

In der gärtnerischen Fachliteratur finden wir den Begriff „Bauernhortensie“ überhaupt nicht. Warum auch? Er führt in die Irre, wie uns ein Blick in die Geschichte und auf die Problematik der Winterhärte zeigt. Die Züchtungen der Hortensie Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser. wuchsen zuerst in den Gärten Chinas und Japans. In diesen Gärten gibt es keine Zufälle, alles ist wohlüberlegt und meist von symbolischer Bedeutung. Eine Ähnlichkeit zum üppigen und überaus vielfältigen deutschen Bauerngarten ist auszuschließen.

Schwierige Bedingungen für Hortensien

Die frühe Einfuhr einer Ziersorte nach Europa geht auf Sir Joseph Banks zurück. Er brachte die später nach ihm benannte Sorte 1788 nach Kew Garden in England mit. Der deutsche Botaniker und Arzt Dr. Franz von Siebold schickte in den Jahren 1829/30 die Sorte ‚Otaksa‘, benannt nach seiner japanischen Geliebten, ins niederländische Leiden. Alle frühen Einfuhren waren jahrzehntelang Teil von Sammlungen und botanischen Gärten. Gärtnerisch wurde die Art erst Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt. Vor allem die Sorte ‚Otaksa‘ wurde produziert.

In den zwanziger und dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts züchteten in Deutschland Friedrich Matthes, H. Schadendorff und Joseph Wintergalen sehr rege eine Vielzahl neuer Sorten. Das Hortensien in den Garten pflanzen war aber noch nicht verbreitet. Die Pflanzen standen in Kübeln und wurden in der kalten Jahreszeit in ein Winterquartier gebracht.

Ausgepflanzt in den Garten wurde am ehesten in den Städten und nicht in den Bauerngärten. Zum einen war das aufstrebende Bürgertum wohlhabender, denn Pflanzen aus Fernost waren auch ein Statussymbol. Andererseits sind Standorte in der Stadt auch kleinklimatisch günstiger und der Blüherfolg größer. Letztendlich ereilte in eben dieser Zeit die Hortensie in manchen Landstrichen der Ruf einer Unglücks-, Streit- oder Zwietrachtsblume. Vor allem im Egerland gab es Sprüche wie: „Wer eine Hortensie baut, wird keine Braut.“ Oder: „Wo eine Hortensie blüht, geht das Glück hinaus“. Auch diese bösen Omen begrenzten sicher die Verbreitung in den Bauerngärten. Nach dem 2. Weltkrieg produzierten die Zierpflanzengärtner die Hortensie immer mehr als Topfpflanze. Die Winterhärte wurde als wichtiges Zuchtziel vernachlässigt. Man schenkte sie zur Konfirmation oder pflanzte sie auf Friedhöfe. Beides förderte die Beliebtheit nicht sonderlich.

Es ist anzunehmen, dass die Hortensie erst in den letzten Jahrzehnten, vor allem in den milderen Gebieten Südwestdeutschlands, in größerem Umfang Einzug auch in die bäuerlichen Gärten fand. Erst mit dem Modewort und Marktbegriff der „Bauernhortensie“ wollten sie viele wieder in den Garten pflanzen. Frankreichreisende sahen dort die üppige und faszinierende Blüte in vielen Orten. Nun ist für die Gärtner guter Rat teuer. Das Sortiment ist nicht auf Winterhärte getestet.

Um hier Klarheit zu schaffen, pflanzten wir Exemplare der von uns betreuten größten Sammlung Deutschlands seit 2004 schrittweise ins Freie aus und prüften seither die Winterhärte. Die Bedingungen für die Pflanzen wurden so ungünstig gewählt, dass Empfehlungen für die meisten Gebiete in Deutschland gegeben werden können. Die Pflanzfläche ist voller Sonne, starken Winden ausgesetzt und durch die Fallwinde des östlichen Erzgebirges beeinflußt. Die ersten Ergebnisse nach fünfjährigem Test an 300 ausgepflanzten Sorten zeigen, dass nur ein geringer Teil des Sortimentes wirklich ausreichend hart ist. Interessanterweise sind es immer die gleichen, die wirklich jedes Jahr sicher und in ganzer Fülle blühen.

Geeignete Sorten unter Extrembedingungen

Die nachfolgend genannten Sorten gehören botanisch alle zur Gartenhortensie Hydrangea macrophylla (Thunb. ex Murray) Ser.:

  • ‚Bouquet Rose‘ (1908)
  • ‚Otaksa‘ (1835)
  • ‚Semperflorens‘
  • ‚Westfalen‘ (1940).

Unter unseren Extrembedingungen gibt es dann eine Reihe weiterer Gartenhortensien, deren Blüte noch befriedigt. Bei diesen ist anzunehmen, dass sie in milden Lagen wohl durchaus zu empfehlen wären:

  • ‚Alpenglühen‘ (1950),
  • ‚Blaumeise‘ (1979),
  • ‚Bodensee‘,
  • ‚Buchfink‘ (1986),
  • ‚Charme‘ (1932),
  • ‚Deutschland‘ (1927),
  • ‚Enziandom‘ (1950),
  • ‚Europa‘ (1931),
  • ‚Générale Vicomtesse de Vibraye‘ (1908),
  • ‚Hamburg‘ (1931),
  • ‚Lemmenhof‘ (1947),
  • ‚Merveille Sanguin‘ (1938),
  • ‚Miss Belgium‘ (1935),
  • ‚Mme Emile Mouillère‘ (1909),
  • ‚Mousseline‘ (1909/10),
  • ‚Parsifal‘ (1921/22),
  • ‚Rosea‘ (1880),
  • ‚Zeisig‘ (1979).

Wo liegt die Lösung, dass Hortensien zukünftig wirklich in Bauerngärten und andernorts in großen Teilen Deutschlands heimisch werden können? Zum einen können die härtesten Sorten in die züchterische Arbeit einbezogen werden, um diese Eigenschaft auch auf neuere Sorten zu übertragen. Zum anderen werden zunehmend Sorten kultiviert oder gezüchtet, die am einjährigen Holz blühen.

Dazu muß man bedenken: Die Mehrzahl der heutigen Hortensien setzt ihre Knospen im Frühherbst mit zunehmender Kühle an. Die Ausreife der Blütenstiele erfolgt von der Wurzel aus. So ist bei uns die Vegetationsperiode oft zu kurz, um bis zum ersten Frost eine volle Ausreife bis zur neuangelegten Knospe zu erreichen. Auch Spätfröste im Frühjahr können der neuen Blüte gefährlich werden.

Das bekannteste Beispiel für eine Sorte, die am einjährigen Holz blüht, ist ‚Endless Summer‘. Auch bei dieser Sortenbezeichnung handelt es sich – wie bei dem Überbegriff Bauernhortensie – um eine erfolgreiche Werbung, suggeriert sie doch einen nicht enden wollenden Sommer. Französische Hortensienkenner vermuten hinter ‚Endless Summer‘ die ältere Sorte ‚Bailmer‘. In jedem Falle ist sie gemeinsam mit anderen frosttoleranten Sorten ein interessanter züchterischer Anfang in eine neue Zeit, in der es vielleicht wirklich üppig blühende Bauerngärten voller Hortensien in ganz Deutschland geben wird.

Für konstruktive Hinweise und Korrekturen bei der Erstellung dieses Textes bedanken wir uns sehr herzlich bei:

  • Frau Prof.Dr.rer.hort. Eva Rietze, Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH), Fachbereich Pillnitz
  • Frau Dr. Evelyn Klocke, Julius Kühn-Institut (JKI)
  • Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen
  • Institut für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst
  • Herrn Sieghart Prkno